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Leichenraub

Leichenraub

Titel: Leichenraub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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applaudieren, eine Geste, die Crouch
durchaus registrierte. Andere schlossen sich eilig an, bis schließlich der ganze Saal von ihrem Applaus widerhallte.
    »Na, so was nenne ich eine hamletwürdige Vorstellung«, meinte Wendell, dessen trockener Kommentar im Getöse der klatschenden Hände unterging. »Wann wird er sich auf dem Boden wälzen und uns die Sterbeszene geben?«
    »Psst, Wendell«, warnte Charles. »Willst du uns alle in Schwierigkeiten bringen?«
    Dr. Crouch trat vom Podium ab und setzte sich in die erste Reihe zu den anderen Mitgliedern des Lehrkörpers. Nun erhob sich Dr. Aldous Grenville, der nicht nur Dekan der Medizinischen Hochschule, sondern auch Charles’ Onkel war, um zu den Studenten zu sprechen. Obwohl sein Haar sich schon silbern gefärbt hatte, stand er noch aufrecht und ungebeugt, eine auffallende Erscheinung, die mit einem Blick den ganzen Saal zum Schweigen bringen konnte.
    »Ich danke Ihnen, Dr. Crouch, für Ihre höchst aufschlussreiche und inspirierende Vorlesung über die Kunst und Wissenschaft der Geburtshilfe. Wir kommen nun zum letzten Teilabschnitt des heutigen Programms, einer anatomischen Sektion, die unser angesehener Professor für Chirurgie, Dr. Erastus Sewall, präsentieren wird.«
    Schwerfällig erhob sich der korpulente Dr. Sewall von seinem Platz in der ersten Reihe und betrat das Podium. Dort schüttelten die beiden Herren einander herzlich die Hand, worauf Dr. Grenville sich wieder hinsetzte und Sewall die Bühne überließ.
    »Bevor ich beginne«, sagte Sewall, »möchte ich zunächst einen Freiwilligen aufrufen. Vielleicht wäre einer der Herren Erstsemester so kühn, mir als Prosektor zur Seite zu treten?«
    Tiefes Schweigen war die Antwort, während fünf Reihen junger Männer betreten auf ihre Schuhe hinabsahen.
    »Ich bitte Sie, meine Herren, wenn Sie sich nicht die Hände blutig machen, werden Sie auch nie verstehen, wie die menschliche Maschine funktioniert. Sie haben Ihre medizinischen Studien gerade erst begonnen, und Sie sind noch
nicht eingeweiht in die Geheimnisse des Sektionssaals. Heute werde ich Ihnen helfen, sich mit dieser wundersamen Apparatur vertraut zu machen, diesem komplizierten und erhabenen Bau. Wenn einer von Ihnen vielleicht den Mut aufbringen könnte?«
    »Ich mach’s«, sagte Edward und stand auf.
    »Mr. Edward Kingston hat sich freiwillig gemeldet«, stellte Professor Grenville fest. »Bitte begeben Sie sich zu Dr. Sewall aufs Podium.«
    Während Edward den Mittelgang hinaufschritt, bedachte er seine Kommilitonen mit einem siegessicheren Grinsen. Ich bin kein Feigling, im Gegensatz zu euch , sagte sein Blick.
    »Wo nimmt er nur die Nerven her?«, murmelte Charles.
    »Wir kommen alle noch an die Reihe«, meinte Wendell.
    »Sieh nur, wie er sich in der Aufmerksamkeit aalt. Ich schwöre, ich würde zittern wie ein armer Sünder.«
    Räder rumpelten über das hölzerne Podium, als ein Assistent einen Tisch von der Seite hereinschob. Dr. Sewall zog seinen Rock aus und krempelte die Ärmel hoch, während der Assistent wieder hinausging, um einen kleinen Tisch mit einem Tablett voller Instrumente hereinzufahren. »Jeder von Ihnen«, sagte Sewall, »wird die Gelegenheit bekommen, im Sektionssaal das Skalpell zu führen. Aber dennoch wird Ihr Kontakt mit diesem Gegenstand viel zu oberflächlich bleiben. Angesichts des Mangels an anatomischen Übungsexemplaren müssen Sie jede Gelegenheit nutzen, die sich Ihnen bietet. Wann immer ein Leichnam zur Verfügung gestellt wird, werden Sie, wie ich hoffe, die Gunst des Augenblicks nutzen und Ihr Wissen zu mehren suchen. Heute bietet sich uns zu unserem großem Glück eine solche Gelegenheit.« Er legte eine Pause ein, um sich eine Schürze umzubinden. »Die Kunst der Sektion«, fuhr er fort, während er die Bänder hinter dem Rücken verknotete, »ist genau dies – eine Kunst. Heute werde ich Ihnen demonstrieren, wie Sie dabei vorgehen sollten. Nicht wie ein Abdecker, der einen Kadaver ausschlachtet, sondern wie ein Bildhauer, der ein Kunstwerk aus einem
Marmorblock hervortreten lässt. Das ist es, was ich heute zu tun beabsichtige – nicht nur einen Leichnam zu sezieren, sondern die Schönheit jedes einzelnen Muskels und jedes Organs, jedes Nervs und jedes Blutgefäßes zu enthüllen.« Er wandte sich zu dem Tisch um, auf dem die Leiche lag, immer noch unter ihrem Laken verborgen. »Nun wollen wir unser heutiges Studienobjekt enthüllen.«
    Norris spürte schon, wie die Übelkeit in ihm hochstieg,

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