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Leichenraub

Leichenraub

Titel: Leichenraub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Poole versprochen, nichts zu sagen, aber jetzt kann ich nicht länger schweigen. In der Nacht, als das Baby zur Welt kam, nachdem Sie den Raum verlassen hatten, sagte Ihre Schwester uns …« Mary erstarrte plötzlich, und ihre Augen fixierten nicht mehr Rose, sondern irgendetwas in der Ferne.
    »Miss Robinson?«
    »Passen Sie gut auf das Kind auf«, sagte Mary. »Halten Sie es versteckt.«
    Rose drehte den Kopf, um zu sehen, was Marys Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, und als sie Eben aus dem Nebel auf sich zuschreiten sah, wurde ihre Kehle trocken. Ihre
Hände zitterten, doch sie wich nicht zurück, entschlossen, sich nicht einschüchtern zu lassen. Nicht heute, nicht hier, am Grab ihrer Schwester. Als er näher kam, sah sie, dass er ihren Ranzen in der Hand trug – den Ranzen, mit dem sie vor vier Monaten in Boston angekommen war. Verächtlich warf er ihn Rose vor die Füße.
    »Ich habe mir erlaubt, deine Habseligkeiten zu packen«, sagte er. »Da du in Mrs. O’Keefes Haus nicht länger willkommen bist.«
    Sie hob den Ranzen aus dem Matsch auf, und ihre Wangen glühten vor Empörung bei der Vorstellung, dass Eben in ihren Kleidern gewühlt hatte, in ihren persönlichen Sachen.
    »Und komm ja nicht gelaufen und bettle um Almosen«, fügte er hinzu.
    »War es das, was du mir gestern Abend aufzwingen wolltest? Ein Almosen?«
    Sie richtete sich auf und sah ihm direkt in die Augen, und beim Anblick seiner aufgeplatzten Lippe durchfuhr sie ein Gefühl der Befriedigung. War ich das? Gut gemacht! Ihre kühle Entgegnung machte ihn sichtlich wütend, und er trat einen Schritt näher. Dann fiel sein Blick auf die beiden Totengräber, die immer noch damit beschäftigt waren, die Grube aufzufüllen. Er hielt inne, die Rechte zur Faust geballt. Na los, dachte sie. Schlag mich, während ich deine Tochter im Arm halte. Soll die ganze Welt doch sehen, was für ein Feigling du bist.
    Er schürzte die Lippen und bleckte die Zähne wie ein Tier, und die Worte, die er hervorstieß, klangen wie ein Zischen, gepresst und bedrohlich. »Du hattest kein Recht, mit der Nachtwache zu reden. Sie sind heute Morgen gekommen, während des Frühstücks. Die anderen Mieter tuscheln schon darüber.«
    »Ich habe der Wache nichts als die reine Wahrheit gesagt. Nämlich, was du mir angetan hast.«
    »Als ob dir irgendjemand glauben würde. Weißt du, was ich Mr. Pratt gesagt habe? Ich habe ihm gesagt, was du wirklich für eine bist – ein kleines Luder nämlich. Ich habe ihm erzählt,
wie ich dich aufgenommen habe, wie ich dir Kost und Unterkunft gewährt habe, alles nur meiner Frau zuliebe. Und so dankst du mir meine Großzügigkeit!«
    »Ist es dir denn völlig gleichgültig, dass sie tot ist?« Rose sah auf das Grab hinunter. »Du bist nicht hier, um Abschied zu nehmen. Du bist nur gekommen, um mich einzuschüchtern. Und das, während deine eigene Frau …«
    »Mein eigenes teures Weib konnte dich auch nicht ausstehen.«
    Rose blickte zu ihm auf, und ihre Augen blitzten. »Du lügst!«
    »Glaubst mir wohl nicht?« Er schnaubte verächtlich. »Du hättest hören sollen, was sie mir so alles ins Ohr geflüstert hat, während du schliefst. Was für eine Last du wärst, wie ein Mühlstein um den Hals, den sie mit sich herumschleppen musste, weil sie wusste, dass du ohne unsere Mildtätigkeit verhungern würdest.«
    »Ich habe für meinen Unterhalt gearbeitet! Jeden einzelnen Tag!«
    »Als ob ich nicht jederzeit ein Dutzend andere Mädchen finden könnte, die genauso geschickt mit Nadel und Faden sind wie du, und billiger obendrein! Na los, geh doch hinaus in die Welt, dann wirst du schon sehen, wo du landest – und wie lange es dauert, bis du am Hungertuch nagst. Dann wirst du auf Knien zu mir gekrochen kommen.«
    »Zu dir?« Jetzt war es Rose, der zum Lachen zumute war, und sie tat es auch, obwohl ihr Magen sich vor Hunger schon zusammenkrampfte. Sie hatte gehofft, dass Eben an diesem Morgen nüchtern aufwachen und wenigstens einen Anflug von Bedauern wegen seiner gestrigen Tat empfinden würde. Dass er durch Aurnias Tod plötzlich einsehen würde, was für einen Schatz er verloren hatte, und dass die Trauer aus ihm einen besseren Menschen machen würde. Aber sie war wie Aurnia in ihrer törichten Zuversicht, wenn sie glaubte, dass er seinen kleinlichen Stolz überwinden könnte. Gestern Abend hatte Rose ihn gedemütigt, und bei Tage betrachtet
blieb von seinem herrischen Gehabe nicht viel übrig. Sie sah keine Trauer in seinen Augen, nur

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