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Leichenroulette - Roman

Leichenroulette - Roman

Titel: Leichenroulette - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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einmal, sondern schon mehrmals ausgeraubt worden. Warum diese offensichtliche Diskriminierung? Gab es für dafür einen Grund? Auf jeden Fall ein Lapsus, den zu beheben es höchste Zeit war.
    Aus der an Kriminalität reichen jüngsten Zeit war mir kein einziger Fall bekannt, bei dem Angestellte die eigene Bank ausgeraubt hatten. Eigentlich schade, dass Insider ihr reiches Wissen über Alarmanlagen, Fluchtwege und Geldtransporte nicht nutzten. Sie fälschten, wie man las, kunstvoll Bilanzen, unterschlugen und veruntreuten auch ihnen anvertrautes Geld, vor roher Gewalt schreckten sie jedoch zurück. Da ich selbst nur rudimentäre Kenntnisse in Buchhaltung besaß, ent schied ich mich daher für Letzteres. Jemand musste schließlich den Anfang machen. Ich überlegte hin und her, erwog, änderte, verfeinerte und verwarf die verschiedensten Pläne, bis ich mich schließlich entschied.
    Der maßgeschneiderte Raub sollte folgendermaßen ablaufen: Um 10.30 Uhr herrscht in der Filiale Währingerstraße stets Hochbetrieb. Hermine M. geht in das Souterrain der Bank. Darin sieht niemand etwas Auffälliges, denn im Untergeschoss befinden sich die Tresore der Kunden. In einem unbeobachteten Moment betritt sie die dortige Kundentoilette. Sie streift einen bodenlangen schwarzen Umhang über und setzt eine dazu passende, adrette Maske mit der Darstellung einer freundlichen Katze auf, in die sie einen schmalen Sehschlitz geschnitten hat. Um größer zu wirken, schlüpft sie in Schuhe mit Plateausohlen. Ihrer Handtasche entnimmt sie eine Pistole, die sie beim letzten Besuch zu Hause bei Herrn Prosch hat mitgehen lassen. Ist sie bereit, dann rennt sie die Treppe hinauf, direkt in Richtung Kasse. Wortlos richtet sie ihre Waffe auf den ängstlichen Herrn Loidolt, schiebt ihm einen Zettel zu: »Überfall! 500 000 Schilling, schnell, oder es gibt ein Blutbad.« Die genannte Summe hat sie genau kalkuliert. Sie darf nicht zu hoch sein, damit der Mann an der Kasse kein Risiko eingeht. Er befolgt die für einen derartigen Fall erhaltenen Richtlinien und händigt das Geld in 5000-Schilling-Scheinen aus: Hundert Banknoten, ein kleines Päck chen. Zur Einschüchterung der Menschen, die auf dem Boden kauern, gibt Hermine M. ein paar Warnschüsse in die Decke ab. Sie rafft das Geld an sich, rennt dem Ausgang zu, wobei sie die Kunden in Schach hält. Sie verschwindet im Hauseingang gleich neben der Bank, wo sie die Maske abstreift und sich in die biedere Angestellte zurückverwandelt. In dem allgemeinen Tumult mischt sie sich unauffällig wieder unter das Personal der Bank.
    Der Überfall bleibt ungeklärt. Zwei Monate nach dem Vorfall kündigt Hermine M. ihren Posten. Sie gibt an, dem aufregenden Leben in der Großstadt nicht gewachsen zu sein, seit dem Banküberfall unter Angstträumen zu leiden und in ihre Heimatgemeinde zurückkehren zu wollen. Sie stößt auf wohlwollendes Verständnis. Aufgrund ihrer Faulheit und Ineffizienz hinterlässt ihr Abgang keine Lücke.
    »Träume sind Schäume« heißt es nicht zu Unrecht. Den meisten Menschen ist es leider nicht vergönnt, ihre Wünsche zu verwirklichen. Ich bildete da keine Ausnahme, denn ich schreckte vor der Ausführung meiner kühnen Pläne zurück. So sah ich mich weiterhin Tag für Tag mit der harten Realität des Lebens konfrontiert. In Anbetracht meiner prekären Finanzlage zählte ich auf die Unterstützung durch meine liebe Mutter. Regelmäßig schickte sie mir »Fresspakete« mit nahrhaftem Inhalt – Blutwürste und geräucherter Speck, Grammelknödel mit Sauerkraut, schwarzes Brot und Guglhupf. Das half mir sparen, denn ich ernährte mich fast ausschließlich von ihren milden Gaben. Mei ne Figur ging dabei noch weiter aus dem Leim, mit dem Geld kam ich trotzdem nur schwer aus – nach der Bezahlung von Miete, Strom und Gas blieb nicht viel übrig. Das war umso trister, als ich zu dieser Zeit nach Markenartikeln geradezu gierte und mich ärgerte, dass ich mir, umgeben vom Luxus der Großstadt, so wenig leisten konnte. Meine Garderobe bestand daher aus »Schnäppchen« teurer Designermode, die ich im Ausverkauf billig erwarb. Bald konnte ich mich nicht mehr erinnern, etwas zum regulären Preis erworben zu haben. Und so präsentierte ich mich auch. Im sündteuren Mantel aus Alpakawolle, der aufgrund seiner grellorangen Farbe lange keine Käuferin gefunden hatte, bis man ihn auf ein Drittel des Preises reduzierte und mir überließ. Ich besaß auch einen roten Kaschmirpullover, der zwar

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