Leichenroulette - Roman
Bad« wurden zu einer landesweiten Sensation und einem Sport – Laien und Experten wetteiferten bei ihrer Suche nach einer Lösung des Rätsels.
Es war die unerwünschte Popularität, der die Kri minalpolizei die Kenntnis von einer dritten toten Braut an der Küste von Kent verdankte. Der Fall lag schon Jahre zurück und war genauso verlaufen wie die zwei bereits bekannten Todesfälle. Mit einem winzigen, makabren Unterschied – der Ehemann hatte die kleine, billige Wanne aus Gusseisen selbst gekauft und sie seiner Frau geschenkt. Neil und Spilsbury ließen daraufhin die drei Unglücks-Badewannen nach London transportieren. Sie sahen alle gleich aus, sehr kurz, mit steilem Fußende und schrägem Kopfende. Die Verstorbenen waren alle über 1,65 Meter groß gewesen. Das Missverhältnis zwischen den Körpermaßen der Opfer und den Abmessungen der Wanne gab zu denken, und es stellte sich wiederum die alte Frage: »Wie konnten sie in den winzigen Badezubern ertrinken?«
Schließlich engagierten der Pathologe und der Kriminalinspektor Sportschwimmerinnen, deren Größe und Gewicht den mutmaßlichen Opfern glich. Kuriose, unheimliche Experimente an der Grenze der Legalität fanden statt: Helfer versuchten Kopf und Ober körper der Versuchspersonen unter Wasser zu drücken. Dies gelang ihnen nur selten oder erst nach langem Ringkampf mit heftiger Gegenwehr, wobei sich Wasser über den ganzen Boden ergoss. Selbst als man zu einem bedenklichen Mittel griff, die Schwimmerinnen ablenkte, sie unerwartet attackierte und ihnen den Kopf unter Wasser drückte, konnte man nicht verhindern, dass sich die Hände der Opfer am Wannenrand anklammerten und Halt fanden. Spilsbury grübelte Tag und Nacht – bis er in einer langen, schlaflosen Nacht schließlich die Erklärung der Morde fand. Sie war teuf lisch und zugleich verblüffend einfach!
»Mein Gott, wie simpel und effizient!«, dachte ich bewundernd. »Darauf muss man erst kommen. Geradezu genial! Eigentlich ist jeder, auch ein blutiger Anfänger, imstande, auf diese Weise zu morden.«
Kapitel 8
8
Beim nächsten meiner häufigen Telefonate mit Mizzi, die ich mittlerweise als meine beste Freundin ansah, erzählte ich ihr von den »Bräuten«: »Was denkst du? Wie hat er sie umgebracht?« Sie wurde sehr neugierig, riet hin und her, blieb jedoch von der richtigen Lösung meilenweit entfernt. Da ich – ich wusste eigentlich selbst nicht, warum – die Enthüllung des Rätsels für mich behalten wollte, quälte mich Mizzi noch lange Zeit mit bohrenden Fragen. Ich antwortete jedoch stets nur ausweichend. Selbst als wir zwei wieder einmal zu unseren scherzhaft so genannten »Viennese trips for two« aufbrachen, suchte sie mir listig Hinweise zu entlocken. Doch ich schwieg eisern und lenkte sie ab.
Unser skurriles Hobby, dem wir gerne frönten, er füllte alle Kriterien, die wir an Unterhaltung stellten. Es war billig, ja fast kostenlos, und trotzdem höchst vergnüglich.
Wer von uns beiden dieses Freizeitvergnügen ersonnen hat, weiß ich nicht mehr. Auf jeden Fall kann man es allen Wienern mit so schmalen Geldbörsen wie den unsrigen nur wärmstens empfehlen. Als Vorbereitung zu dem Vergnügen durchforstete ich als Stammgast des »Dommayer« bei einem »kleinen Braunen« – dem einzigen Luxus, den ich mir dort gönnte – stundenlang die Zeitungen. Während ich den wahrhaft köstlichen Kaffee schlürfte, nahm ich unauffällig die Immobilienbeilage des »Kurier« an mich, eine Tat, über die man bei mir als langjährigem Gast wohlwollend hinwegsah. Zu Hause wählte ich dann mithilfe der stets un ternehmenslustigen Mizzi geeignete Objekte aus: Woh nungen oder Häuser – im Idealfall leerstehend oder aus Erbschaftsfällen. Anschließend vereinbarten wir Besichtigungstermine, auf die wir uns jedes Mal sehr freuten und die wir mit Spannung erwarteten.
Wie sah wohl die angebotene »prächtige Ringstraßenwohnung« tatsächlich aus und wie das »kleine, ge pflegte, voll möblierte Häuschen einer Hofratswitwe«? Vor allem jedoch, was würde man uns bieten? Wir dachten natürlich nicht im Traum daran, etwas zu mieten oder zu kaufen, hätten es uns mit unseren kargen Einkünften auch gar nicht leisten können. Vielmehr versorgten wir uns beim Gang durch die meist verwahrlosten Liegenschaften mit nützlichen Utensilien aller Art und fanden dort originelle Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke für das laufende Jahr. So steckte ich, während sich Mizzi umständlich die
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