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Leichenroulette - Roman

Leichenroulette - Roman

Titel: Leichenroulette - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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tropft, am Aufnahmeschalter Fragebögen auszufüllen hat. »Name, Vorname, wie schreibt man das? Reden Sie bitte deutlicher! Versicherungsnummer? Krankenkasse? Wohnort? Postleitzahl? Name des Ehemanns, Vorname der Mutter, des Vaters? Wo geboren? Wie alt? Wie heißt Ihr Hund?« Nein, Meidling ist da ganz anders! Eine kurze Registrierung genügt.
    Als wir eintrafen, saßen auf dem weiß getünchten Gang zahlreiche Wartende. Resigniert starrten sie auf Bildschirme kryptischen Inhalts: »Bei Aufruf eintreten und Einzelaufruf abwarten!« – »Schmuckstücke von den verletzten Körperteilen entfernen!« In Windeseile karrte man Leopold vorbei an den Patienten, die sich aus eigener Kraft hergeschleppt hatten. Viele trugen, wie ich, neben meinem Mann einhergehend, beobachten konnte, abstoßende, amateurhaft gewickelte Verbände. Einer streckte krampfhaft sein verletztes Bein von sich, ein anderer bewegte sich mit dick bandagierter Zehe aus eigener Kraft per Rollstuhl in Richtung Röntgen. Ein Einarmiger mit zertrümmerter Nase und eingegipster Hand röchelte auf seinem Rollbett vor sich hin. Was mochte der für ein Schicksal haben? Trotz allem konversierten die Maladen in angeregtem, mitleidigem Ton: »Wia is Ihnen denn des passiert?« – »Na, so a Unglück!« – »Die Kellerstiagn sans obigfalln, wias an Wein gholt ham? So a Pech!« Gips verbindet!, fiel mir dazu ein.
    Poldi kam zur Notaufnahme in ein Zimmer, wo seine Alkoholfahne die nüchtern-sterile Atmosphäre des Raumes belebte. Die Erstversorgung samt Röntgen erfolgte sehr rasch. Als ich ihn bei Morgengrauen verließ, dämmerte er mit einem hübsch in Weiß eingegipsten Bein, eingelullt durch eine schmerzstillende Injektion, in seinem Krankenbett dahin. »Die komplizierte Fraktur der Hand und des Armes sowie die gerissenen Sehnen können wir erst operieren, wenn Ihr Mann nüchtern ist«, sagte lächelnd ein junger, gut aussehender Arzt. »Entschuldigen Sie die Frage, aber ist Ihr Mann ein schwerer Alkoholiker?«
    Tatsächlich erforderte der Splitterbruch des rechten Handgelenks eine mehrstündige Operation, gefolgt von einem fünftägigen Aufenthalt im Krankenhaus. »Dein Essen, dein fettes, schweres Essen war es!«, keuchte der Patient, als es ihm ein wenig besser ging, er aufste hen durfte und in meiner Begleitung, mühsam gestützt auf eine Krücke, nunmehr auch den rechten Arm genagelt, vergipst und in einer Schlinge, auf dem Gang ungelenk auf und ab humpelte. »Du bist schuld. Zur Verdauung deines Fraßes habe ich Alkohol gebraucht. Und was hatte das blöde Katzentier im Treppenhaus herumzuliegen?«, fauchte er trotz der ungewohnten Anstrengung böse, als sich niemand in Hörweite befand. Kamen wir an seinem Zimmernachbarn vorbei, der einen traumatischen Schädelbruch erlitten hatte und wehmütig aus einem turbanähnlichen Verband hervorlugte, änderte sich sein Ton. Freundlich und voll Jovialität säuselte er: »Aber heute geht es Ihnen doch viel besser. Sie schauen wesentlich frischer aus! Das wird schon wieder!«
    Zu Hause erwies sich Leopold als ungeduldiger und unleidlicher Patient, dem ich nichts recht machen konnte. Die Unfähigkeit, seine rechte Hand zu gebrauchen, und die Aussicht, dass dieser Zustand lange anhalten und nach Abnahme des Gipses eine physikalische Therapie in einem Rehabilitationszentrum erfordern würde, machte ihn Murli und mir gegenüber bitter und gemein. Oft lockte er den Kater, in dem er den Urheber seines Unglücks sah, zu sich. Kam dieser freundlich heran, um arglos das Gipsbein zu beschnuppern, trat er nach ihm und verscheuchte ihn mit seiner Krücke und derben Flüchen, wie ich sie von dem feinen Mediävisten nie erwartet hätte. Da Leopold ständig Schmerzen peinigten und er auch nachts meiner Hilfe bedurfte, gestaltete sich das Zusammenleben mit ihm von Tag zu Tag schwieriger.
    Ich merkte auch, dass er, der Alkohol immer verabscheut hatte, heimlich zu trinken begann. In Windeseile sank der Spiegel in den Flaschen mit Slibowitz und Whisky, die bis dahin in einem Winkel des Glasschranks unseres Wohnzimmers unbeachtet gereift und verstaubt waren, auf ein Drittel. Wenn ich tagsüber arbeitete, las Poldi so lange, bis ihn Kopfschmerzen peinigten, um dann dumpf vor sich hin zu stieren. Kam ich müde nach Hause, überschüttete er mich mit Vorwürfen. »Ich lese die miserablen und falschen Artikel meiner Kollegen und bin machtlos. Ich kann keine Entgegnung auf ihre stumpfsinnigen Thesen schreiben, sie nicht widerlegen, weil

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