Leichenschänder
kam ums Verrecken nicht drauf, was das war. Frustriert verstaute ich die Bilder wieder im Umschlag, dann schlürfte ich mit Todesverachtung den schmierigen Rest meines Kaffees und rief beim Taxiunternehmen an.
Die Telefonistin erzählte mir, dass mein Irrer zum Karl-Marx-Hof gefahren worden sei. Ich bedankte mich, legte auf und fluchte. Der Karl-Marx-Hof war riesig. Falls der Irre dort wohnte, würde es nicht einfach sein, ihn ausfindig zu machen.
Doch im Moment hatte ich andere Probleme. Ich musste einen Artikel über den Mord an Stefan zusammenschustern. Und um unsere Leser nicht zu überfordern, durften weder komplizierte Satzkonstruktionen noch Fremdwörter vorkommen. Mit einem Seufzer der Verzweiflung machte ich mich an die Arbeit.
Am frühen Nachmittag war mein Artikel fertig. Ich war ziemlich sicher, dass er sowohl Huber als auch unserer aus Rückenmarksdenkern bestehenden Stammleserschaft gefallen würde.
Ich schaltete den Computer aus, gab den Artikel Frau Sommer zum Überarbeiten, schlüpfte in meinen Mantel und verließ die Redaktion, ohne mich von irgendjemandem zu verabschieden. Ich schlenderte die Kärntner Straße entlang, zwischen all den Schicken und Reichen und Gelifteten und Langweiligen und Gelangweilten, und lüftete mein Gehirn aus. An einem Stand kaufte ich mir Bratkartoffeln, die hier fünfzehn Schilling kosteten, im Gegensatz zu den Außenbezirken, wo man so eine Portion schon um einen schlappen Zehner bekam. Ich aß im Gehen, spazierte noch ein Weilchen herum und stieg schließlich in die U3.
Ich fuhr bis zur Johnstraße, schaute kurz in der Bücherei auf der Hütteldorfer vorbei, wo ich mir ein paar Krimis ausborgte, und spazierte nach Hause.
Dort beseitigte ich die ärgsten Spuren der Verwüstung, ging unter die Dusche und schmierte mir etwas Creme auf die roten Stellen am Hals, wo der Irre mir den Elektroschocker angesetzt hatte und die ein bisschen zu jucken begonnen hatten.
Dann legte ich mich ins Bett und vertiefte mich bis zum Abend in einen amerikanischen Hard-Boiled-Krimi.
Gegen zehn löschte ich das Licht. Ich wollte morgen ausgeschlafen sein, denn ich würde dem irren Fotoräuber einen Besuch abstatten.
Acht
Glühende Schmerzen quälten mich, als ich aufwachte. Mein verstümmelter kleiner Finger fühlte sich an, als wäre er frittiert worden. Aus Erfahrung wusste ich, das war kein gutes Zeichen.
Ich duschte, trank eine Tasse Kaffee und rauchte eine Zigarette. Dann zog ich mich an und fuhr mit der U-Bahn zur Arbeit.
Im Empfangsbereich der Redaktion schnappte ich mir eine aktuelle Ausgabe von
Voll Dran!
und überflog meinen Artikel über den Mord am armen Tassilo, der mit einem grobkörnigen Foto geschmückt war. Gezeichnet war der Text mit
Hanno P. Inscher
, dem Pseudonym, das ich mir für meine Schändung der deutschen Sprache zugelegt hatte. Weder der Artikel noch das Foto hoben sich vom unterirdischen Rest des Blattes ab. Ich fand, ich hatte gute Arbeit geleistet.
Ich legte die Zeitung zurück auf den Tisch, schenkte Frau Eisenhut, die am Empfangspult saß und sich liebevoll um ihren Staubfänger kümmerte, einen Blick auf mein vollständiges und durch regelmäßiges Putzen mit einer in der Werbung empfohlenen Zahnpasta strahlendweißes Gebiss und klopfte an Hubers Bürotür. Ich hörte ein gedämpftes
Herein
und trat ein.
Huber saß an seinem Schreibtisch und hatte die Nase fast in den Bildschirm seines Laptops versenkt. Seine kurzen, fetten Finger huschten unruhig über die Tasten in dem Versuch, sein Raumschiff den tödlichen Angriffen der syphilitischen Weltraumfledermäuse zu entziehen.
„Was gibt’s, Breitmaier?“, presste er zwischen den Zähnen hervor. „Ich bin beschäftigt.“ Er wischte sich einen dicken Schweißtropfen von seiner glänzenden Stirn.
„Ich wollte nur fragen, ob Sie einen Auftrag für mich haben“, sagte ich und trat einen Schritt näher, um einen besseren Blick auf den Bildschirm zu erhaschen. Die Bastardfledermäuse setzten Huber ganz schön zu. Er besaß nur noch ein Raumschiff und war erst in Level drei.
„Verdammt, jetzt hat’s mich erwischt! Ich hasse diese mutierten Drecksvögel!“ Er drehte sich zu mir um und sagte: „Ein Auftrag? Lassen Sie mich überlegen. Ach ja, wir machen gerade eine Reportage über das Wiedererstarken der christlichen Werte und befragen dazu ein paar Prominente.“
„Glauben die denn alle an christliche Werte?“
„Es spielt keine Rolle, woran die glauben. Man muss diesen Promis nur drohen,
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