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Leichenschrei

Titel: Leichenschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicki Stiefel
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gesagt.«
    Sie wich meinem Blick aus. »In der Stadt glauben alle, dass dein Vater das Feuer gelegt hat. Dabei ist auch Walter Cunningham, Hanks Vater, umgekommen.«
    »Nein«, kam es von meinen Lippen. »Oh Gott, das … das tut mir so leid. Aber das kann nicht stimmen. Unmöglich. Sie müssen mich ja alle hassen. Carmen. Hank.«
    Ein Schluchzen. Sie lehnte sich zurück. Sie war wieder bei Laura.
    »Entschuldige, meine Liebe. Das ist ja jetzt auch gar nicht wichtig.« Ich rieb ihre Hände. Sie waren kalt und feingliedrig und erinnerten mich daran, was der Tod den Lebenden antat.
    Einige Minuten später ließ Annie die Kassette weiterlaufen. »Schau, da, das ist Laura. War sie nicht süß?«
    »Das war sie.«
    Wir schauten noch eine Stunde Filme an, in denen Laura zu einer umwerfenden jungen Frau heranreifte. Laura und Annie hätten während Annies ganzer Schulzeit hindurch Klone sein können. Doch als Lauras Highschool-Abschluss bevorstand, hatte Annie bereits begonnen, sich zu verändern. Sie hatte abgenommen, und ihr Haar hatte seinen Glanz verloren.
    Ich spürte, wie gern sie mir von sich erzählt hätte, von ihrem Leben, ihrer Schwester, Winsworth. Aber ich spürte auch, wie sie zögerte. Ich konnte schließlich der Feind sein, dessen Vater eine ganze Stadt genarrt hatte.
    Stattdessen lachte und weinte Annie und kommentierte für mich ihr und Lauras Leben nach meinem Weggang. Das alles war für die Trauerbewältigung normal und richtig, und obwohl sie mir nicht geglaubt hätte, wenn ich es ihr gesagt hätte, so würden ihre Wunden über den Verlust der Schwester doch langsam so weit heilen, bis sie erträglich wurden. Mit der Art von Lauras Tod umzugehen war hingegen eine andere Geschichte.
    Annie schaltete den Videorekorder ab und seufzte. »Ich vermisse sie. Jeden Tag. Von jetzt bis in alle Ewigkeit. Das ist alles so ungerecht. Das macht mich, na ja, wütend.«
    »Wut ist etwas unglaublich Normales, Annie. Sie gehört zur Trauer dazu.«
    »Ich muss wissen, warum sie gestorben ist.«
    »Ja«, sagte ich. »Auch das gehört dazu.«
    Irgendwo im Haus knallte eine Tür, dann platzte Noah herein. Er musterte mich stirnrunzelnd, grüßte Annie knurrend und stürmte wieder hinaus.
    »Auch er leidet«, sagte sie. »Aus welchem Grund hat man sie umgebracht, Emma, äh, Tally?«
    Ich wünschte, ich wüsste die Antwort. »Laura schien mir ziemlich bestimmt gewesen zu sein. Manche Leute hier fanden sie vielleicht ein bisschen, na ja, aufbrausend.«
    Annie winkte ab. »Oh, das weiß ich. Aber Laura hat auch viel Gutes getan. Ihre Arbeit im Krankenhaus zum Beispiel. Sie hat sozusagen die Kontaktbörse für Patienten dort ins Leben gerufen, zusammen mit Elyse Baxter, und außerdem hat Laura immer örtliche Künstler unterstützt, hat ihre Ausstellungen organisiert. Und sie hat Carmen bei der Eröffnung ihres Restaurants geholfen. Hast du Carmen schon gesehen?«
    »Ja«, sagte ich. »Sie hat mich nicht erkannt.«
    »Und das hat dir wehgetan, stimmt’s? Du solltest es ihr sagen.«
    »Bald.« Nachdem ich das mit dem Geschäft ihrer Mutter verdaut hatte. Und mit meinem Vater. »Vorerst behalten wir das noch für uns, okay?«
    »Sicher. Das mit Carmens Restaurant war ein ziemliches Hin und Her. So etwas hat Laura geliebt. Diesen Zug an meiner Schwester habe ich nie verstanden. Das macht mich traurig.«
    »Etwas nicht Abgeschlossenes?«, sagte ich. »Das gehört auch dazu. Aber dein Verständnis ist da, Annie. Es versteckt sich nur gerade. Erzähl mir von Lauras Beziehungen. Foster hat erwähnt, dass da beim Radio was gewesen wäre.«
    Annie faltete die Hände. »Der arme Foster. Er hat immer versucht, sich in Lauras Leben zu schleichen. Das war ihm wichtig. Schließlich war sie nett zu ihm. Er ist so eine Art Außenseiter hier.«
    »Weil er schwul ist?«
    »Nein, nicht wirklich. Eher, weil er so ein Bursche aus der Stadt ist. Er hält sich für hip und meint, immer vorne mit dabei zu sein. Das stößt manche Menschen ab. Aber er ist echt nett. Aber Laura und ein Freund? Ich wusste von allen, mit denen sie sich traf. Sie hat Wert darauf gelegt, es mir zu erzählen. So was haben wir immer geteilt. Nein. Jemand Speziellen gab es nicht.«
    Ich verabscheute es, so direkt zu sein. »Kann es sein, dass sie schwanger war?«
    Annie runzelte die Stirn. »Ein Baby wollte sie schon, aber … Nein, ich glaube nicht.«
    Die Wandmalerei in Lauras Büro legte nahe, dass sie es gewesen war. Vielleicht doch nur ein Wunsch? »Ich muss Drew Jones

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