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Leichenschrei

Titel: Leichenschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicki Stiefel
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weißen T-Shirt geholt. Als ich den Atem anhielt, konnte ich zwischen all dem Schmutz und den schlaflosen Nächten einen flüchtigen Blick auf den Mann erhaschen, der Russell Crowe in nichts nachstand.
    Ich hob den Hörer vom Telefon.
    »Sie wollen doch nicht etwa jemanden anrufen?«
    »Nicht, wenn ich nicht muss.«
    »Müssen Sie nicht. Ich bin kein Mörder.«
    Den Spruch hatte ich schon viele Male gehört. »Wie sind Sie hierhergekommen, Gary?«
    »Getrampt. Hab mich nicht getraut, in meinem Bronco zu fahren.«
    »Und warum glauben Sie, ich könnte Ihnen helfen?«
    »Wegen Joy. Sie kennen Joy von der Post. Hat behauptet, Sie wären ’ne coole Lady. Meinte, Sie würden sich für Lauras Tod interessieren.«
    »Joy hat Ihnen geraten hierherzukommen?«
    »Nein. Meinte nur, ich soll anrufen. Aber das reicht nicht. Überhaupt nicht.« Er trommelte mit den Händen auf die Knie, hastig, nervös.
    »Ich weiß nicht genau, wie ich Ihnen helfen kann.« Ich hörte mich weit entspannter an, als ich mich fühlte.
    Sein Blick wanderte durch den Raum. »Na, wenn nicht Sie, wer dann? Sagen Sie’s mir, wer dann? Na? Na?«
    Er presste die geballten Fäuste gegen die Augen und atmete tief ein. »Ich dreh hier noch durch, verstehen Sie? Aber total. Die Kerle von der State Police jagen mich, dabei hab ich Laura gar nicht um die Ecke gebracht. Mann, warum sollte ich denn ’ne Frau töten, mit der ich so verdammt guten Sex hatte?«
    »Vielleicht, weil sie schwanger war?«
    Er errötete. »Ich … Ich, äh …«
    »Gary? Ich denke, dass Laura schwanger war.«
    Er verschränkte die Hände und sah zu Boden. »Tja, von mir war sie’s nicht. Ich kann keine Kinder zeugen. Ich war zwei Jahre in der Army. Da hatte ich ’nen Unfall und … Niemand hier weiß davon, nicht mal Joy, und wehe, Sie erzählen das weiter, klar?«
    »Mach ich nicht, bestimmt. Und es tut mir leid für Sie.«
    Er schnappte nach Luft, wieder und wieder. Zu schnell. Sein Gesicht lief rot an, die Augäpfel traten hervor.
    Ich wollte gerade die Notrufnummer 911 drücken, doch er röchelte »Nicht!« und zog ein Asthmaspray hervor. Er zitterte, als er es zum Mund führte, pumpte, einatmete und das Ganze wiederholte.
    Beim dritten Mal begann er, leichter zu atmen. Seine Schultern entspannten sich, und er ließ die Arme sinken. Sein Kopf kippte zurück.
    Ich beugte mich vor. »Gary?«
    »Alles in Ordnung.«
    Ich holte ihm ein Glas Eiswasser und ein kühles, feuchtes Handtuch, das ich ihm auf die Stirn legte.
    »Danke«, nuschelte er. »Hab fast keine Medizin mehr. Das Asthma hab ich, seit ich ein Kind bin. Es macht mir Angst.«
    »Das würde es mir auch.« Ich wartete, bis er sich aufrichtete und wieder einen klaren Blick bekam. »Sie kennen doch Sheriff Cunningham. Rufen Sie ihn an. Er wird Ihnen helfen.«
    »Nie im Leben. Der steckt mich ins Kittchen. Dabei hab ich absolut nichts getan.«
    Wir hatten begonnen, uns im Kreis zu drehen. So ein Schlamassel. Streunende Hunde waren meine Spezialität, und ich kämpfte gegen den Drang an, ihn unter meine Fittiche zu nehmen.
    »Werden Sie mir etwas über die Nacht erzählen, in der Laura starb?«
    Er wischte sich den Speichel von den Lippen und wischte dann die Hand an seinem Overall ab. »Danke für Ihre Frage, Ma’am. Die Mühe hat sich nämlich bisher keiner gemacht. Klar. Laura und ich waren draußen am Giddyup. Das ist gleich außerhalb der Stadt, kurz vor dem Bauhof.«
    »Ich kenne den Ort.«
    »Es war noch früh, so gegen sechs. Wir wollten was essen und dann tanzen gehen. Um die Wahrheit zu sagen, an dem Abend lief es nicht so toll zwischen uns. War auch meine Schuld. Als wir gegessen hatten, wollte Laura unbedingt tanzen. Aber ich war fix und alle, verstehen Sie. Hatte die letzten vier Tage durchgearbeitet.«
    »Um wie viel Uhr war das, Gary?«
    »Vielleicht so gegen neun. Sie hatte auch nicht gerade Lust auf Sex, was ziemlich seltsam war. Normalerweise konnte Laura nämlich nicht die Finger von mir lassen. Wir sind immer förmlich übereinander hergefallen, verstehen Sie?«
    Ich musste an Hank denken … Hank! Verdammt. »Fahren Sie fort.«
    »Also hab ich vorgeschlagen, wir sollen zu ihr nach Hause fahren und … Sie wissen schon.«
    »Ja.«
    »Sie war aber nicht in Stimmung.« Er vergrub die Hände in seinen Achselhöhlen. »Ich … äh. Wir haben gestritten.«
    »Und wie es sich anhört, ganz schön heftig. Erzählen Sie es mir, Gary.«
    »Warum sollte ich?«
    »Weil ich vielleicht die Einzige bin, die Ihnen

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