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Leichenschrei

Titel: Leichenschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicki Stiefel
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hat mir nicht wirklich wehgetan, aber …«
    »Hätte noch kommen können.« Seine Augen blitzten vor Wut.
    »Kann sein.«
    Hank legte einen Arm auf die Sofalehne. »Kann sein? Was denn, sind Sie irre? Der Typ ist gefährlich, Tally. Und dass Sie mir den bloß nicht unterschätzen. Was hat er zu dem Finger in Ihrem Wagen gesagt?«
    »Mist! Hab vergessen, ihn danach zu fragen. Einfach blöd, ich weiß, aber … Da hat eines das andere ergeben mit Pinkham, falls Sie verstehen, was ich meine.«
    »Tue ich.« Hank streckte seine Beine auf dem Couchtisch aus. »Glauben Sie, dass er Laura getötet hat?«
    »Ich weiß nicht. Nein. Vielleicht. Die Sache mit dem Messer. Ich hab in seinen Augen gesehen, dass er es genoss, mich zu schneiden. Aber es war auch so kindisch. Nein, ich bezweifle, dass er sie getötet hat.«
    Hank nickte. »Ich weiß noch einen anderen Grund.«
    »Sagen Sie schon. Ich will nicht mehr zu viel denken. Bin total platt.«
    Hank grinste. »Sie sind süß, das sind Sie.«
    Ich verspürte ein Kribbeln, was anscheinend meinen grauen Zellen auf die Sprünge half. Das Asthmaspray auf dem Couchtisch machte es auch nicht gerade schwieriger. »Aber ja doch. Er ist ja Asthmatiker. Die Zigaretten. Ich bezweifle, dass Gary überhaupt in der Lage ist zu rauchen.«
    »Genau richtig.« Hank ließ das Inhalierspray in eine Plastiktüte gleiten. »Was bedeutet, dass er aller Wahrscheinlichkeit nach die Zigaretten aus dem Steinbruch nicht geraucht haben kann. Ich wünschte, wir hätten ein paar DNA-Spuren daran gefunden. Aber schaden kann es nicht, das hier untersuchen zu lassen. Für die Akten.«
    Ich wollte gerade mit Garys Behauptung, unfruchtbar zu sein, herausplatzen, dachte aber noch rechtzeitig an mein Versprechen. »Vielleicht könnte die Sache mit Garys Asthma die Jungs von der State Police dazu veranlassen, ihr Netz weiter auszuwerfen.«
    Er fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht. »Kann sein. Kommt drauf an. Die sind notorisch überarbeitet.«
    »Und Sie nicht?«
    »Bei mir ist das was anderes.«
    »Inwiefern?«
    Er zuckte die Achseln. »Eben … was anderes.«
    Einen kurzen Moment lang sah ich einen Mann, der furchtbar litt. Wie sehr hatte er Laura Beal geliebt? Ich erzählte ihm von meinem Besuch bei Annie, ließ aber die Sache mit meiner wahren Identität weg. Er litt schon genug. Wie sehr würde er dann erst leiden, wenn er erfuhr, dass mein Vater der mutmaßliche Mörder seines Vaters war?
    »Weshalb ich angerufen habe«, sagte ich. »Ich wollte wissen, ob Sie den Autopsiebericht haben und ob der Leichenbeschauer oder das Labor herausgefunden hat, dass …« Ich seufzte. »… dass Laura vielleicht schwanger war.«
    Hank verfiel in Schweigen.
    Er ging zur Terrassentür, zog sie auf und ließ die nächtliche Brise ein. Er lehnte sich gegen den Türrahmen. »Dieselben Sterne überall in der nördlichen Hemisphäre. Der gleiche Nachthimmel. Sie schauen hinaus und sehen, was auch jemand in New York sieht. Oder in Florida. Chicago. Arm, reich, krank, hungrig, glücklich. Ganz egal. Da ist sie, diese wunderschöne Sternenhülle. Vor langer Zeit hatte ich mal ein Teleskop. Genau genommen hab ich mir letztes Jahr ein neues gekauft. Das hindert mich daran durchzudrehen, wenn ich an einiges von dem Zeug denke, das ich in mir trage. Aber jetzt gerade hilft es nicht viel.«
    Ich trat hinter ihn und legte eine Hand auf seine Schulter. »Hank?«
    Er rieb sich die Stirn. »Es war schon schlimm, dass Laura gestorben ist. Ich verstehe gar nicht, wieso es mir noch schlechter gehen sollte, nur weil ich erfahre, dass sie vielleicht schwanger war.«
    »Weil Sie Laura geliebt haben?«
    Als er sich umdrehte, blitzte in seinen Augen große Trauer auf. »Weil ich sie nicht genug geliebt habe. Oder vielleicht ist Laura auch ein Symbol für all die toten Frauen, die ich schon gesehen habe, verstümmelt, verletzt, und manche mit einem Baby im Bauch.«
    »Ach, Hank.«
    Seine Lippen zuckten ein klein wenig, aber sein Blick war weiter voller Trauer. »Ich habe mir eine Art Spiel mit Ihnen erlaubt, Tally. Ein reichlich dummes, vermutlich. Aber Sie sind eine große Nummer aus Boston, und Sie sehen auf mich hinunter, als wäre ich ein Hinterwäldler.«
    »Aber das tue ich doch gar nicht.«
    Er holte sich seinen Saft vom Couchtisch. »Klar tun Sie das.«
    Ich konnte seinem Blick nicht standhalten, weil er vielleicht sogar recht hatte. Vielleicht fühlte ich mich allen meinen alten Freunden in Winsworth wirklich überlegen. Vielleicht

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