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Leichenschrei

Titel: Leichenschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicki Stiefel
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Vorraum, der erfrischend menschenleer war. Cathy deutete auf die Bank aus Kiefernholz.
    »Huh«, sagte sie und gesellte sich zu mir. Sie zog ein Taschentuch aus ihrem Ärmel und wischte sich die Stirn. »Beerdigungen in Winsworth. Manchmal wird mir das einfach zu viel. Wie Sie vielleicht bemerkt haben, ist immer die ganze Stadt da.«
    Ich war nicht bei der Beerdigung meines Vaters gewesen. Ich war krank, hatte vor Kummer im Krankenhaus gelegen. Was für eine einsame Veranstaltung das gewesen sein musste. »Sie kannten Laura gut, oder?«
    »Seit sie ein Säugling war«, sagte sie. »Ein talentiertes Kind, verdorben durch die Mutter, die fast ihre Schwester zerstört hätte. Deshalb habe ich Sie hier herausgebracht. Musste Sie von meinem Daniel wegholen.«
    »Ihrem Daniel?«
    Sie errötete und strich sich dann eine Locke ihres prächtigen weißen Haares aus dem Gesicht. »Noah kommt schon klar, aber ich glaube, dass Sie Annie helfen können. Wie ich hörte, haben Sie mit ihr geredet und ihr bei der Sache mit Lauras Tod beigestanden. Ihr Ruf eilt Ihnen voraus: Sie sollen verdammt gut sein, wenn es um Trauerarbeit geht. Ich habe versucht, dieser Frau gut zuzureden, und ich kann Ihnen sagen, dass ich es nicht geschafft habe. Sie muss aufhören, in der Vergangenheit zu leben. Das ist Teil von Lauras Vermächtnis. Es wird Annie umbringen, wenn sie ihn heiratet.«
    Ich hatte gedacht, Steve Sargent täte Annie vielleicht gut, aber … »Wegen seines hitzigen Temperaments?«
    »Hitziges Temperament? Na, ich wüsste keinen Mann, der sich besser im Griff hätte.«
    Die Küchentür ging auf, und Chip platzte herein. Er sah uns an und blieb abrupt stehen. »Äh, Tally, Cathy. Hi.«
    Spielverderber.
    Cathy beugte sich näher zu mir. »Ich rede nicht von Steve. Himmel, Drew ist davon besessen, Annie zu heiraten. Das macht mir Sorgen.«
    Annie und Drew? »Aber ich dachte …«
    Chip kam zu uns herüber, offensichtlich platzte er fast wegen irgendetwas.
    Cathy schlug sich auf die Schenkel. »Ich gehe dann besser mal wieder zu Daniel zurück. Wir sehen uns später.«
    »Warten Sie!« Chip wedelte mit den Händen. »Ich habe gerade einen Anruf auf meinem Handy bekommen. Es hat einen weiteren gegeben.«
    »Einen weiteren was?«, fragte ich.
    »Mord! Ich muss meinen Assistenten und den Leichenwagen holen. Ein Touristenpärchen hat Gary Pinkham gefunden. Er ist tot.«
    Oh nein. »Wo?«
    »Draußen im Steinbruch von Penasquam. Auf so einem großen, schwarzen Stein.«

19
Ein dunkler, stürmischer Tag
    Ich raste zu dem Steinbruch, in dem Gary lag. Der Himmel hatte sich verdunkelt. Schwere Wolken eilten über meinem Kopf dahin, der Wind war unangenehm, und der Geruch nach heftigem Regen lag in der Luft. Ich empfand alles als schrecklich dringlich – warum, wusste ich auch nicht. Gary war schließlich tot. Doch mein Puls raste, und meine Kehle war wie zugeschnürt. Ich wünschte, Penny wäre bei mir gewesen.
    Ich parkte neben einer Reihe anderer Autos, die verteilt auf dem dreckigen Gelände standen. Kein Leichenwagen, Chip war also noch nicht da. Ich sah vorsichtig über den Rand des Steinbruchs. Die Leute bewegten sich zielgerichtet auf dem Gelände. Ein uniformierter Polizist stand vor dem schrecklichen Stein, sodass ich Garys Leiche nicht sehen konnte. Die schwüle Luft dämpfte die Geräusche, und ich hörte nichts außer dem Heulen des Windes.
    Ich ließ meine Digicam in die Tasche gleiten, legte meine schwarzen Pumps in den Truck und ging den Pfad zum Steinbruch hinunter. An den Ausschnitten meines ärmellosen Leinenkleides hatten sich Schweißflecken gebildet, bevor ich die Hälfte hinter mir hatte. Als ich den Boden des Steinbruchs erreicht hatte, setzte ich mich auf einen Stein und massierte meine zerkratzten Füße. Hank entdeckte mich und kam mir entgegen. Jetzt sah ich auch Gary. Er lag in Rückenlage auf dem schwarzen Stein unter der großen Eiche, deren Äste vom Wind gepeitscht wurden. Ich litt mit ihm. Er war so verängstigt gewesen, als ich ihn getroffen hatte. Wenn wir uns noch mal sehen, muss ich Ihnen etwas erzählen. So oder ähnlich hatte er sich geäußert. Vielleicht hatte er nur einen Unterschlupf gewollt. Und eine Absolution.
    Was aussah wie ein Polizistenpärchen in Zivil, stand seitlich von uns, und die Frau sprach in ihr Handy. Ein Mann in einem grauen Anzug packte gerade seine schwarze Arzttasche.
    »Hübsches Outfit«, sagte Hank, als er mich erreichte.
    »Danke. Ich mache mich für solche Gelegenheiten immer

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