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Leichenschrei

Titel: Leichenschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicki Stiefel
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Joy einen gefüllten Teller aus den Händen. »Ich stell deine Brownies besser mal da drüben auf den Tisch, Liebling.«
    Ich hatte nicht mit einer ausführlichen Antwort gerechnet, und genau so war es auch. »Wie geht es Ihnen, Joy?«
    Sie rieb sich die Stirn. »Wenn Sie wüssten. Ausgerechnet heute hat Scooter einen Aufstand gemacht, als wir ihn bei Wills Schwester abgeben wollten.«
    »Das tut mir leid.«
    »Er hat was gespürt. Diese Sache heute mit Laura. Der arme Kleine hing so an ihr.« Joy strich mit den Händen über ihren Rock aus grüner Seide. »Sehe ich gut aus?«
    »Perfekt. Ein wundervolles Kostüm, Joy.«
    »Das ist Lauras. Ich musste den Saum um mehr als zehn Zentimeter kürzen, aber … Meinen Sie, es würde ihr etwas ausmachen?«
    »Nein. Hat Annie es Ihnen gegeben?«
    Sie errötete und schüttelte den Kopf, sodass ihre üppigen Locken zitterten. »Annie gibt Lauras ganze Sachen an eine Wohltätigkeitsorganisation. Das hier war in der Reinigung. Ich wollte es aus Achtung vor ihr anziehen.«
    Ich verstand. Beste Freunde wurden oft in die zweite Reihe verbannt, wenn es ans Trauern und die Trauerberatung ging. »Sie machen sich sehr gut darin.«
    Chip, der Leiter des Bestattungsunternehmens, gesellte sich zu uns. Er wollte gar zu gerne über Lauras einbalsamierte Schönheit reden. Ich entdeckte Dr. Cambal-Hayward, und weg war ich. Als ich sie erreichte, hatte sich bereits der ältere Mann zu ihr gesellt, der vor Patsys Laden mit mir zusammengestoßen war.
    »Tally«, sagte Dr. Cambal-Hayward. »Ich möchte Ihnen gern Gouverneur Daniel Jones vorstellen.«
    Daniel Jones räusperte sich. »Ach, papperlapapp, Cath. Vergessen Sie das mit dem ›Gouverneur‹, meine Liebe. Und die Freude, Sie kennenzulernen, ist ganz meinerseits. Ich weiß alles über Ihre Arbeit in Boston. Eine tolle Sache!«
    »Oh, na ja … danke.« Ich solchen Momenten wusste ich nie, was ich sagen sollte.
    Jones zog eine Braue in die Höhe. »Ich wollte mich noch dafür entschuldigen, Sie neulich einfach so umgerannt zu haben, meine Liebe.« Seine fröhliche Stimme und das Lächeln standen im Kontrast zu der Trauer in seinen Hundeaugen. Augen wie diese hatte ich zuvor schon gesehen. Sie gehörten zu jemandem mit einer ungeteilten Last.
    »Da braucht es keine Entschuldigung, Gouverneur Jones.«
    »Einfach nur Daniel.« Verstohlen sah er zu Patsy Lee Jones, die sich bei einem großen blonden Mann untergehakt hatte. »Warum kann diese Frau unsere Familie nicht in Ruhe lassen? Das ist mein jüngerer Sohn, Mitch. Patsys letzte Eroberung. Ich würde Sie ja bekannt machen, aber …« Er seufzte, als er sich wieder zu der Ärztin umwandte.
    Patsy hing wie eine Klette an Mitch. Oh Mann, sie war echt nicht ohne.
    Im Zimmer wurde es plötzlich still, und ich drehte mich um. Annie und Steve Sargent kamen zusammen die Treppe herunter, während Noah geradewegs auf sie zusteuerte.
    Ich spürte die explosive Gefahr, die von Noah ausging, und wollte mich ihm schon in den Weg stellen.
    Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter.
    »Warten Sie noch, Tally«, sagte Daniel.
    »Noah wird …«
    »… gar nichts tun«, sagte Daniel. »Er ist ein alter Narr, aber nicht dumm. Er wird Annie und Steve schon keine Szene machen. Nicht heute.«
    »Ich weiß nicht.«
    Er wurde von einem leichten Raucherhusten geschüttelt. »Ich schon. Noah ist ein guter Kerl, obwohl ihm sein mürrisches Wesen manchmal im Weg steht.«
    Ich war mir nicht sicher, ob ich dem zustimmte. »Aber Annie ist im Moment sehr empfindlich.«
    »Mag sein. Aber sagen Sie mir, meine Liebe, glauben Sie wirklich, dass Annie damit geholfen wäre, Lauras Mörder zu finden?«
    Die Hitze, die in Daniels wässrig blauen Augen glomm, war eine Erinnerung an die Macht, die er einst gehabt hatte. »Es würde helfen. Ja. Die Person, mit der ich schon seit Tagen sprechen möchte, ist Ihr Sohn, Drew.«
    Die buschige Augenbraue fuhr wieder in die Höhe. »Wirklich.«
    »Unbedingt. Wissen Sie, wann er zurückkommt?«
    »Zurückkommt?Aber,meine Liebe,er ist doch da drüben.«
    Mein Blick wanderte zu dem großen Mann, der am Tisch mit den Erfrischungen mit Carmen plauderte. Er trug einen gediegenen Anzug und eine Schildpattbrille, und sein kurz gehaltener Bart war sorgfältig gestutzt. Doch sein Rücken war gebeugt, und er schien sich an einer Wand abzustützen, um aufrecht zu bleiben.
    Wow. Ich hatte ihn erst vor ein paar Tagen in Carmens Restaurant gesehen, der Typ mit dem Winkelmesser und der Baskenmütze. Er

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