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Leichenschrei

Titel: Leichenschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicki Stiefel
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untergegangen.
    So vieles an den angeblichen Betrügereien meines Vaters ergab keinen Sinn. Wenn alle in der Stadt glaubten, dass er das Feuer gelegt hatte, bei dem unser Heim abgebrannt und Hanks Vater umgekommen war, wo waren dann die Zeitungsberichte darüber? Die Anklagen? Die Vorwürfe? Und warum hatte der Fremde, der mich in Boston angerufen und darauf bestanden hatte, dass ich hierher zurückkehrte, bisher keinen Kontakt zu mir aufgenommen? Diese Fragen verschleierten den Himmel wie die Gischt über einem Wasserfall. Ein ordentlicher Wind musste kommen und mir den Kopf freipusten.
    Ich knipste das Licht aus, drehte mich auf den Bauch und schloss die Augen. Pennys regelmäßiger Atem wirkte zusätzlich beruhigend auf mich. Ich zog die Decke bis zum Kinn hoch. Die Nacht war kühl.
    Morgen ist Laura Beals Beerdigung.
    Ich hatte den Verdacht, dass ein Killer dabei sein würde.

18
Noch einer
    Lauras Beerdigung begann um Punkt neun – eine traurige Angelegenheit, die dadurch noch schlimmer wurde, dass der blaue Himmel und eine unerbittliche Sonne, die von den Grabsteinen aus Granit auf dem Friedhof reflektiert wurde, sich darüber lustig zu machen schienen.
    Ich sah mir jeden an, weil ich sicher war, ihren Mörder zu entdecken, obwohl ich natürlich wusste, dass Mörder oft so wie Sie und ich aussehen. Weder tragen sie Abzeichen, noch haben sie verräterische Tätowierungen auf der Stirn oder grinsen teuflisch. Aber wie sehr wünschte ich mir, es wäre so.
    Laura und ihr für immer ungeborenes Baby wurden nicht weit von meinem Vater zur Ruhe gebettet, beide das Opfer eines Schlächters. Hatte der Mörder von dem Fötus gewusst? Ich vermutete, dass das Baby eine Rolle bei diesem Mord spielte.
    Was für eine traurige Ironie, dass es sich um eine Eileiterschwangerschaft gehandelt hatte. Wäre Laura noch am Leben, wenn sie und der Mörder das gewusst hätten? Ständig kamen mir neue Varianten in den Sinn, doch keine schien wirklich zu passen. Selbst in einer so konservativen Stadt wie Winsworth waren uneheliche Kinder keine Seltenheit. Wenn der Mörder der Kindsvater war, warum dann nicht eher eine Abtreibung oder eine Adoption? Falls Laura das abgelehnt hatte und der Mann vor Angst oder Wut durchgedreht war, warum hatte er ihr dann nicht einfach eine Kugel in den Kopf gejagt? Warum diese genaue Planung? Dieser Zorn? Das Zusehen?
    Letzteres irritierte mich mehr als alles andere – dass er zugesehen hatte, wie sie gekrochen war und gelitten hatte, bevor sie schließlich elendig verblutet war.
    Oh, was für ein düsterer Morgen für mich.
    Ich strich mit der Hand über den Grabstein meines Vaters und ging.
    Als wir nach der Bestattung zurück bei den Beals waren, drückte ich mich in Annies Nähe herum, bis es Carmen gelang, sie zu einer dringend nötigen Ruhepause nach oben zu lotsen.
    Im ganzen Haus roch es nach Rosen, Potpourris und Flieder, eine Mischung, die mich zum Niesen brachte. Mir fielen die Geschichten von auf Eis gelagerten Leichen in der guten Stube ein, und vielleicht wäre so etwas ja ein besserer Weg, die Dinge zu handhaben, als unsere keimfreien Verabschiedungen.
    Auf dem Tisch im Esszimmer dampften Platten voller Essen, während im Hintergrund die sanften Töne von Pachelbel erklangen. Es wurde heiß in den Räumen, und jemand riss Türen und Fenster auf. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich schwören können, auf einer Party der feinen Gesellschaft von Winsworth zu sein. Und auf eine Art war ich das vermutlich auch.
    Ich versuchte, mit Noah zu sprechen, der mit seinem schwarzen Anzug und der weißen Mähne eine geradezu tragisch gut aussehende Figur abgab, während er durch die Reihen ging. Doch jedes Mal, wenn ich in seine Nähe kam, ging er weg. Ich gab auf und machte mich auf die Suche nach Hank, während mich Drew Jones’ Ex-Frau Patsy die ganze Zeit verstohlen beobachtete. Gary Pinkham war nirgends zu sehen, aber eine blass aussehende Joy stellte mich ihrem Mann Will vor, der über fünfzig war. Ich überragte sie beide. Ich wusste noch, dass Will Sacco Gary Pinkhams Schwiegervater war, und die mehr als zwanzig Jahre Altersunterschied zwischen Will und Joy waren erschreckend deutlich zu sehen.
    »Schön, Sie kennenzulernen, Will«, sagte ich. »Joy ist sagenhaft. Man kann herrlich mit ihr plaudern.«
    Er nickte und zupfte an seinem kleinen Kinnbärtchen. »Das ist sie.«
    »Ich wüsste gern, ob Sie Gary Pinkham in letzter Zeit gesehen haben?«
    »Nein. Hab ich nicht.« Er nahm

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