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Leichenschrei

Titel: Leichenschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicki Stiefel
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doch, laut Annie.«
    » Imbécil! Ich wette, das hat Noah eingefädelt.«
    »Warum überrascht mich das nicht? Was steckt dahinter?«
    »Emerald Shores. Erzähl ich dir später. Lass uns gehen.«
    Wir umrundeten die Bücherei, huschten von Baum zu Baum und sprinteten dann über das baumlose Gelände hinter dem Sender. Carmen winkte mich zu dem einsamen Ahorn, der etwa zwanzig Meter vom Gebäude entfernt stand.
    Sie deutete auf das Licht, das im ersten Stock brannte. »Da liegt das Studio. Das Licht im ersten Stock gehört zur Treppe, die nach unten führt. Noah ist ja so geizig.«
    Wir flitzten zu einer schräg in den Boden eingelassenen Kellertür und kauerten uns daneben nieder.
    »Hab ich heute Nachmittag schon überprüft«, sagte sie. »Ein Klacks. An der Cornell hab ich jede Menge Erfahrung gesammelt.«
    »An der Cornell?«
    »Meiner Alma Mater.«
    Auch ich hatte dort studiert. Das war ja wie in Twilight Zone. Carmen und ich hatten eine Menge zu bereden, unter anderem Annies Hochzeit und Gary Pinkhams bekleckertes Hemd. Aber nicht jetzt, da sie bereits an dem Schloss herumtüftelte. Sie sprühte ein Schmiermittel auf die Scharniere und zog die Holztüren dann auf.
    Sie quietschten.
    »Na toll«, sagte ich.
    »Öl funktioniert nicht immer«, zischte sie.
    Wir lauschten. Und hörten nichts.
    Carmen stieß die Luft aus. »Geh die Stufen runter und mach das Licht an. Es gibt zwei Treppen. Nimm die linke. Die führt zum zweiten Stock hoch und zu Lauras Büro. Und weil du es unbedingt so willst, stehe ich hier draußen Schmiere. Ich versteh zwar nicht, warum …«
    »Vergiss es, Carm«, zischte ich. »Du hast schließlich Kinder. Wenn du ertappt wirst …«
    Carmen drückte meine Schulter und flüsterte: »Viel Glück.« Ich stieg die Stufen aus alten, unbehauenen Steinen in den Keller hinab. Ich knipste meine Taschenlampe an, und der Lichtkegel fiel auf eine Ratte, die über den Boden huschte.
    Ich wollte schon kehrtmachen, doch Lauras Gesicht – das aus dem Wandbild, auf dem die Mutter ihr Kind im Schoß trägt – flehte mich an, die Treppe hinaufzugehen.
    Also ging ich.
    Die Treppe war eng und bedrückend, und die Stufen waren steil. Als ich endlich im zweiten Stock ankam, war ich außer Atem.
    Ich hielt inne. Im Schein meiner Taschenlampe sah ich den Türknauf. Ich schaltete die Lampe aus, drehte am Knauf und hielt die Luft an.
    Durch den Treppenschacht drang von unten schwaches Licht herauf. Alles war still. Ich schob mich durch die Tür, schloss sie wieder und ging dann auf Zehenspitzen durch den mit Teppich ausgelegten Gang zur Tür von Lauras Büro. Ich drehte am Knauf.
    Die Tür war abgeschlossen.
    Mist.
    Ich wog die Möglichkeiten ab. Ich konnte die Tür eintreten. Den DJ holen, um mich einzulassen. Es mit der Kreditkarte versuchen. Ich kratzte mich am Kopf, der juckte, weil ich unter der Wollmütze schwitzte.
    Meine Uhr zeigte halb zehn an. Rein und raus in einer halben Stunde, das hatte ich zu Carmen gesagt. Aber selbst die besten Pläne …
    Ich ging und holte sie.
    Carmen war offensichtlich in Form, denn sie war kaum außer Atem, als wir vor Lauras Bürotür standen. Sie benutzte wieder dasselbe Werkzeug zum Knacken des Schlosses, und innerhalb von Sekunden schwang die Tür auf.
    »Ich kann es nicht fassen, dass du so was besitzt«, flüsterte ich.
    »Hab ich bei Einbrüchen immer dabei. Ich halte Wache. Beeil dich jetzt, Tal.«
    Ich sah sie grinsen, als sie sich wieder der Treppe zuwandte.
    Ich schloss hinter mir ab und nahm mir die Zeit, meine Augen an das Licht im Zimmer zu gewöhnen. Die Jalousie am Fenster war nicht geschlossen, also eilte ich durchs Zimmer, ließ sie herunter und zog auch noch die Vorhänge zu. Dann knipste ich meine Taschenlampe an. Ich verschaffte mir hastig einen Überblick.
    Mir war übel. Noah hatte Lauras umwerfende Wandmalereien mit einer dicken Schicht kotzgrüner Farbe überziehen lassen. Banale Ansichten von Maines felsiger Küste hingen stattdessen an den Wänden. Laura Beal hätte die Durchschnittlichkeit dieser Bilder verabscheut.
    Ich seufzte, suchte hinter den »Kunstwerken« nach einem Wandsafe und nahm mir dann Lauras Schreibtisch vor. Einige Unterlagen waren noch da – Rechnungen, Artikel und Notizen, wie ich annahm. Ich überflog sie, verteilte die Blätter auf dem Tisch und fotografierte alles.
    Nach jedem Stapel legte ich die Blätter wieder an ihren Platz zurück und nahm mir den nächsten vor. Mein Magen knurrte. Ich hatte Magenkrämpfe. Ich war nicht

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