Leichenschrei

Bescheid weiß, Annie. Inzwischen wissen es so ziemlich alle.«
    »Bescheid worüber?«, fragte Steve.
    Annie setzte ihr Koboldgrinsen auf und erzählte ihm von mir. Sein überraschter Ausdruck wirkte echt und erfreulich frei von Schuld. Bald schon schwelgten wir in Jugenderinnerungen.
    Ich biss in einen Cookie, eine leckere Kombination aus Walnuss und Schoko. »Göttlich.«
    Annie errötete. »Das war ganz leicht. Carmen hat mir von letzter Nacht erzählt. Da dachte ich mir, du könntest eine Stärkung brauchen.«
    »So viel ist sicher«, sagte ich zwischen zwei Bissen.
    »Tut mir leid um all deine Sachen, die zerschlagen wurden«, sagte Steve. »Wenn ich irgendwie helfen kann …«
    »Danke. Aber es könnte schlimmer sein. Ist ja niemand verletzt worden, Gott sei Dank.«
    Annie lachte, ein glockenheller Laut, den ich nicht mehr gehört hatte, seit wir Kinder waren. Sie war auf dem Wege der Besserung.
    Steve runzelte die Stirn. »Hast du denn, ähm, irgendwelche Fortschritte bezüglich Lauras Ermordung gemacht?«
    »Du glaubst immer noch nicht, dass es Gary Pinkham war.«
    »Stimmt«, sagte Steve. »Und Annie glaubt es auch nicht.«
    Annie errötete. »Ich habe nur gesagt, ich bin mir nicht sicher.«
    Steve legte eine Hand auf Annies. »Ich kenne doch deine Gefühle, Liebes.«
    Seine besitzergreifende Art irritierte mich. Annie wollte es immer allen recht machen. Ich wünschte, ich hätte ihre wahren Gefühle gekannt. »Gestern habe ich Drew getroffen«, sagte ich.
    Steve errötete. »Annie und ich hatten gehofft, mit dir über unsere, na ja, unsere Beziehung sprechen zu können.« Annie faltete die Serviette zusammen und strich sie glatt. »Wie wäre es, wenn du Annie auch mal was sagen lässt, hm?«, warf ich ein. »Wir, also, äh, Steven, Drew und ich …« Das Geräusch eines Autos unterbrach sie. »Klingt nach Daddy.« »Mist«, sagte Steve.

26
Wie man einen Dieb fängt
    Annie wich Steves Blick aus. »Er musste irgendwelche Unterlagen raus auf die Insel bringen. Ich wusste doch nicht, dass er so schnell zurück ist.«
    »Mit anderen Worten«, sagte Steve, »du hast ihm gesagt, dass du hierherwolltest.«
    »Musste ich doch. Du weißt genau, wie er ist.«
    Steve seufzte, küsste Annie auf die Lippen und winkte mir zum Abschied. »Mein Angebot, dir zu helfen, steht.«
    Als ich auf Noahs Klopfen hin öffnete, nickten er und Steve sich nur zu und rauschten aneinander vorbei.
    Sobald Steve einmal aus dem Weg war, kam ein strahlender Noah mit weit ausgebreiteten Armen ins Wohnzimmer. Der Griesgram war verschwunden. Ich hatte das tausend Mal gesehen, wusste, dass es nicht von Dauer war, und fragte mich, ob er nur Annie nachspionierte oder ob er etwas von mir wollte.
    Aus Angst, dass Annie später dafür würde bezahlen müssen, sagte ich: »Herrje, Noah, wie schön, Sie zu sehen. Annie meinte, Sie kämen vielleicht auf einen Sprung vorbei. Ich habe Steve gebeten, sie herzubringen.«
    Er schob seine Pfeife in den Mund und wollte sie anzünden.
    »Da ich hier nur zur Miete wohne, Noah«, sagte ich, »sollten Sie das vielleicht lieber draußen tun. Stört Sie das?«
    Er lächelte mit der Pfeife im Mund. »Nicht im Geringsten. Nettes Häuschen hier. Sollte Harm je verkaufen wollen, wäre es gut, wenn er zuerst mich anruft.«
    Noch mehr Strahlen. Noahs liebenswürdiges Maklergehabe war wirklich Furcht einflößend.
    Ich hielt ihm Annies Kekse unter die Nase. »Bedienen Sie sich.«
    »Wenn Sie es sagen.« Er schnappte sich den größten aus der Dose. »Annie ist die beste Köchin, die ich kenne. Ich wollte Ihnen für all Ihre Hilfe während dieser harten Zeit danken.«
    »Ich bin immer froh, wenn ich ein bisschen helfen kann.«
    »Mehr als ein bisschen, meine Liebe. Tut mir leid, falls ich manchmal etwas … ruppig gewesen sein sollte.«
    Oh Mann. Eine Entschuldigung von Noah bedeutete, dass er etwas wollte. »Kein Grund, sich zu entschuldigen.«
    »Wenigstens ist Lauras Mörder tot.«
    Ich warf einen Blick zu Annie hinüber, die zu Boden starrte.
    »Glauben Sie wirklich, es war Gary Pinkham?«, sagte ich.
    Er runzelte die Stirn. »Klar war er’s. Kein Zweifel.«
    Annie sah mich flehend und verängstigt an.
    Würde ich ihre Beziehung doch nur besser verstehen. Annies Angst wollte mir nicht gefallen. Sie betete ihren Vater an, doch ihr Verhältnis zu ihm war komplexer als die meisten. Ihre Anhänglichkeit irritierte mich.
    »Schlimme Sache, das mit dem Einbruch hier«, sagte Noah.
    Warum man sich in Winsworth noch die Mühe