Leichenschrei
machte, eine Zeitung zu drucken, war mir ein Rätsel. »Ist schon aufgeräumt.«
»Und auch noch während Ihres Urlaubs.«
Sein stechender, forschender Blick ruhte auf mir. Er suchte nach einer Schwäche. Ich wollte nicht klein beigeben. »Ja.«
»Ich schicke Ihnen Will als Unterstützung vorbei. Wie wäre das?«
»Will Sacco?«
Noah kaute auf seiner Pfeife. »Macht die eine oder andere Reparatur für mich.«
»Es stört Sie nicht, dass er Garys Schwiegervater war.«
»Ich kann ihm ja schlecht das Verhalten des Jungen vorwerfen, oder?«
»Nun denn, danke für das Angebot, aber …«
»Ich bestehe darauf. Das ist das Wenigste, was wir tun können.«
»Danke, aber nein.«
Unsere Blicke trafen sich. Das war ein Test. Ach so. Aber natürlich. Noah wusste längst, dass ich Emma war. Und er wusste, dass ich hier war, um etwas über meinen Vater herauszufinden. Ich hätte schwören können, dass er mir gerade bedeutete, dass die Schwerter gezogen waren. Der Mann verstand sich auf Machtspielchen.
Aber ich war eine harte Nuss.
Was würde ich zu hören bekommen? Dass er derjenige war, der die Gerüchte über meinen Vater in die Welt gesetzt hatte. Dass er meinen Vater und mich weiter der Brandstiftung und des Diebstahls bezichtigen würde. Dass Annie ihm gehörte und er sie nie freigeben würde. Seine Augen waren kalt und unergründlich wie die See, deren Farbe sie hatten. Sie forderten mich heraus, die Wahrheit zu entdecken. Er war ein meisterhafter Betrüger, aber etwas entging ihm. Einer, der wirkliche Macht hat, hat schließlich nicht viel zu verbergen.
Was er gewollt hatte – Trenton-by-the-Sea –, hatte er bekommen. Also gut, er hatte meinen Vater schlechtgemacht. War er etwa noch einen Schritt weiter gegangen?
Der Zorn packte mich. Ich hätte ihm gar zu gern Vorwürfe ins Gesicht geschleudert und Antworten verlangt. Noahs Lächeln vertiefte sich.
Dein Lächeln kommt zu früh, Noah. Viel zu früh. Er dachte, er hätte mich in der Tasche. Und einen Moment lang hatte er das auch. Aber ich war nicht mein Vater.
Ich nickte und grinste. »Aber ja doch, Noah. Schicken Sie Will vorbei. Ich kann Ihnen gar nicht genug danken. Ich bin sicher, dass ich gut mit ihm auskommen werde, schließlich habe ich ihn erst gestern bei sich zu Hause besucht.«
Noah runzelte die Stirn, fasste sich aber schnell. »Ich werde sehen, wann er Zeit hat. Gehen wir, Annie.«
Annie und ich umarmten uns, und als wir das taten, flüsterte sie: »Ich heirate nächste Woche Drew. Ich wollte, dass du es weißt.«
Ich hielt sie fest. »Annie, nicht. Nein. Drews Krankheit. Und du und Steve. Lass uns darüber reden.«
Sie schob mich sanft von sich. Ihre Augen waren erloschen. »Es ist, wie es ist.«
»Tochter!«, bellte Noah.
»Komme ja schon, Daddy.«
»Warte, Annie. Du …«
»Wir fahren ein paar Tage nach Portland, um meine Brautausstattung zu besorgen.«
Ich schloss die Tür, als Noahs Jeep in der Auffahrt verschwand. Annie würde Drew heiraten? Was für eine Katastrophe.
Etwas lief hier total schief. Ich spürte es an Annies Zittern und Noahs Triumph. Annie musste doch von Drews Krankheit wissen. Aber was, wenn nicht? Ich sah auf die Uhr. Mir blieb gerade noch Zeit, mich wieder umzuziehen, bevor ich mich mit Carmen in der Stadt traf.
Schwarze Leggings, schwarzer Rollkragenpullover, schwarze Mütze. Sogar schwarze Schuhe. Ich sah aus wie jemand aus Matrix. Obwohl ich mir albern vorkam, war die Verkleidung doch sinnvoll. Ich hatte meinen Bauchgurt umgelegt, in dem meine Digicam, Handschuhe, eine Minitaschenlampe und mein Glücksbringer, ein unechter Hasenfuß, verstaut waren. Erwischt zu werden, insbesondere von Noah, war das Letzte, was ich wollte.
Am liebsten hätte ich Penny mitgenommen, aber das wäre nicht klug gewesen.
Ich machte das sowohl, um meine Freundschaft mit Carmen zu festigen, als auch, um Lauras Mörder zu finden. Noah hatte ihr Büro inzwischen bestimmt ausräumen lassen.
Wie geplant, erwartete Carmen mich um neun auf dem Parkplatz vor der Bücherei. Nicht geplant war, dass sie ein Hawaiihemd über ihrer Jeans trug.
»Himmel, Carm.« Ich band meinen Bauchgurt um. »Was ist aus unserer Absprache, dass wir ganz in Schwarz kommen, geworden?«
»Mein Mann ist mir dazwischengekommen. Ich konnte nicht anders. Kein Grund zur Sorge.«
»Das sagst du viel zu oft.« Ich zog meine Handschuhe an. »Annie war heute da. Sie hat mir erzählt, dass sie Drew heiratet.«
»Nie im Leben«, entgegnete Carmen.
»Anscheinend
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