Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition)
wem?
– Von der Polizei. Die hätten sich doch längst bei Ihnen melden müssen.
– Das ist doch alles Blödsinn hier.
– Leider nicht. Es schaut so aus, als würden Sie tatsächlich einen neuen Hausmeister brauchen. Ihr Anton hatte einen Autounfall, er ist zu schnell gefahren.
– Hören Sie auf damit.
– Wir waren zufällig vor Ort, wahrscheinlich hat er sich das Genick gebrochen.
– Nein.
– Doch.
– Sagen Sie mir, dass das nicht wahr ist.
– Das kann ich leider nicht.
– Sagen Sie mir, dass er lebt.
– Ich sage Ihnen, was ich denke. Ihr Anton hat Ersatzteile verkauft, Nieren und Herzen, so wie es ausschaut.
– Was reden Sie da?
– Sie haben doch bestimmt von den Toten im Supermarkt gehört, oder?
– Das ist doch alles Blödsinn. Ich habe keine Ahnung, wovon Sie da reden, keine Ahnung, wie Sie auf das alles kommen. Anton hat sich Urlaub genommen, er wollte nachhause zu seiner Mutter, in die Türkei.
– Er war aber in Wien.
– Nein.
– Doch. Er hat Baronis Tochter besucht.
– Bitte was?
– Ihr Anton hatte ein Verhältnis mit seiner Tochter.
– Schwachsinn.
– Zuerst war er in Moldawien, und auf dem Rückweg hat er Baronis Tochter gevögelt.
– Warum reden Sie so einen Unsinn? Anton ist bei seiner Mutter in der Türkei, er hat mich gestern Nachmittag angerufen.
– Dann hat er Sie wohl angelogen.
– Er würde mich nicht anlügen.
– Warum denn nicht?
– Ich kenne Anton.
– Nicht gut genug, so wie es aussieht.
– Bitte.
– Was?
– Bitte sagen Sie mir die Wahrheit, sagen Sie mir, was mit ihm los ist.
– Das war die Wahrheit. Es tut mir leid.
Max, Baroni und Vadim, alle drei schauen sie an, sie schauen in dieses Gesicht, das von einem Moment zum anderen zusammenfällt. Sie sehen, wie Wilma Rose mit sich kämpft, wie sie versucht, die Fassung zu behalten. Wie sie dasteht und sich nicht bewegt, wie ihre Mundwinkel nach unten hängen, ihre Arme, ihre Hand, die verbergen will, was aus ihren Augen kommt. Eine Träne, die sie wegwischt, schnell. Es ist still im Kaminzimmer. Einen Augenblick lang schaut es so aus, als würde Wilma Rose trauern, als würde sie zusammenbrechen, von ihren Gefühlen überwältigt werden. Einen kleinen Augenblick lang nur, in dem sie begreift, dass ihr Hausmeister tot ist, dass Max es ernst meint. Dass Anton nicht wieder kommt. Einige Sekunden nur, dann findet sie ihre Fassung wieder, sie wischt die Träne in ihre Schürze und zieht ihre Mundwinkel wieder nach oben. Mit einem professionellen Lächeln dreht sie sich um und verlässt den Raum.
Sie geht einfach und lässt die drei Männer zurück. Ohne ein Wort. Da sind nur Baronis Blicke, da ist nur der vorwurfsvolle Unterton in seiner Stimme.
Gut gemacht, sagt er.
Leck mich, sagt Max.
– War das wirklich notwendig?
– Was?
– Du hast ihr eben auf sehr charmante Art und Weise mitgeteilt, dass ihr Mitarbeiter tot ist.
– Ich bin nicht charmant.
– Das ist ja das Problem.
– Ich verstehe nicht, warum du jetzt hier den Moralapostel spielst, das ist überflüssig, Baroni.
– Sie hat geweint.
– Und?
– Wenn sie so eiskalt ist, wie du sagst, dann würde sie wohl kaum weinen.
– Das war eine Träne, kein Weinen.
– Du hast es gesehen, ich habe es gesehen.
– Sie ist schuldig und basta.
– So einfach ist das nicht, Max.
– Doch.
– Du weißt, dass es nicht so ist.
– Gar nichts weiß ich.
Max ist sich nicht sicher, was er tun soll, ob er ihr nachgehen soll, ob er sich entschuldigen soll, für seinen Ton, dafür, dass er so unsensibel war. Er weiß es nicht. Wie sie reagiert hat, dass sie geweint hat, damit hat Max nicht gerechnet. Jemand, der Menschen umbringt und sie ausnimmt, weint doch nicht, wenn der Hausmeister stirbt.
Es ist still im Kaminzimmer. Baroni hält sich zurück, Vadim schweigt ohnehin. Was für eine Scheiße, denkt Max.
Warum wurde sie von der Polizei noch nicht verständigt? Hat man den Mercedes so lange nicht gefunden? Im Normalfall hätte die Polizei Antons Angehörige ausgeforscht, und man hätte sich auch mit seinem Dienstgeber in Verbindung gesetzt, mit dem Fahrzeughalter, mit Wilma Rose. Wie kann das alles sein? Anton war Hausmeister hier, garantiert hatte er keine medizinische Ausbildung, also hat er für irgendjemanden gearbeitet, er hat Frischfleisch aus Moldawien gebracht. Aber für wen? Max war sofort bereit gewesen, an etwas Abwegiges zu glauben, daran, dass in der Schönheitsklinik illegal transplantiert wurde, aber jetzt
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