Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition)
diese Situation gebracht.
– Aber das bringt uns doch nicht weiter, Max.
– Doch, Baroni. Und weißt du auch warum? Weil es mir reicht. Ich will in den nächsten zehn Jahren keine Leiche mehr sehen, nur in Kisten verstaut, verstehst du, so wie immer.
– Aber wir müssen es langsam angehen, Max.
– Nein.
– Doch.
– Sie kommt.
– Du wirst die Klappe halten, Max.
– Das werde ich nicht.
– Bitte, Max.
– Tut mir leid, Baroni, aber das kann ich nicht.
Mit einem großen Tablett betritt sie den Raum. Ein Weinkühler, Gläser, Wilma Rose hat sich wieder gefasst, ihr Lächeln wirkt entspannter, ihre Stimme ist freundlich. Fast könnte man meinen, sie wäre eine etwas pralle Kellnerin im Tiroler Dirndl und keine erfolgreiche Geschäftsfrau, fast gelingt es ihr, Max dazu zu bringen, sie sympathisch zu finden, einen kleinen Augenblick lang. Anstatt zurückzuschlagen wartet sie ab, sondiert die Lage, sie hat ihre Wut hinuntergeschluckt und spielt wieder perfekt ihre Rolle. Nur kurz hatte es den Anschein, als wäre sie aus dem Gleichgewicht geraten, Wilma Rose sitzt wieder im Sattel, die Zügel fest im Griff. Elegant beschreibt sie den Wein und schenkt ein.
Max überlegt. Er weiß nicht, was er denken soll, ob er weitermachen oder still sein soll. Gierig trinkt er das Glas leer und hält es ihr noch einmal hin, geduldig schenkt sie nach und beantwortet Baronis Fragen. Er erkundigt sich über das Haus, über das Angebot, über die Auslastung, über Zubaupläne, Baroni will schönes Wetter, er will nicht, dass die Situation eskaliert, bevor sie irgendetwas herausgefunden haben, er will den Ball flach halten, er will Wilma Rose reden lassen, er will warten, bis sie etwas sagt, das ihnen weiterhilft, bis sie einen Fehler macht. Aber Wilma Rose macht keine Fehler, Max weiß das. Diese Frau funktioniert perfekt, wie sie spricht, wie sie sich kleidet, wie sie sich bewegt, wie beherrscht sie ist. Max hört zu, wie sie über ihre neuen Matratzen aus der Schweiz spricht, das ganze Haus hat sie damit ausgestattet, das Beste vom Besten wolle sie ihren Gästen bieten, nichts sei ihr wichtiger als die Zufriedenheit und das Wohl ihrer Kunden.
Max trinkt das zweite Glas leer, Vadim macht es ihm nach. Wilma Rose lächelt ihn an und schenkt auch ihm nach. Sie scheint nicht zu wissen, wer er ist, sie wundert sich zwar über seine Kleidung, mehr aber auch nicht. Max sieht keine Falte in ihrem Gesicht, nichts, das nicht stimmt an ihr. Professionell und sattelfest steht sie vor ihnen und redet, keine Sekunde lang scheint sie sich zu fragen, warum der Dorftotengräber und sein spielsüchtiger Freund gemeinsam mit einem wortlosen Schützling in ihrem Hotel aufgetaucht ist. Wahrscheinlich kann sie das stundenlang durchhalten, denkt Max, wahrscheinlich wird gar nichts passieren, sie werden auf ihr Zimmer gehen, sie werden zu Abend essen, sie werden auf Schweizer Luxusmatratzen schlafen, und am Morgen wird sie wieder freundlich vor ihnen stehen und ihren Job machen. Nichts werden sie erfahren, wenn Baroni noch weiter uninteressante Fragen stellt. Gar nichts. Max leert sein Glas und greift an.
– Baroni, du bist jetzt still.
– Bitte?
– Wenn du willst, dass ich hierbleibe und nicht wieder zurück an den Strand fliege, dann bist du jetzt still und lässt mich reden.
– Tu das nicht, Max.
– Doch, Baroni.
– Ruhe jetzt.
–
– Soll ich die Herren alleine lassen?
– Nein, es wäre besser für Sie, wenn Sie hierbleiben und meine Fragen beantworten.
– Wenn ich Ihnen irgendwie weiterhelfen kann, tue ich das sehr gerne.
– Hier arbeitet ein Türke namens Anton, ist das richtig?
– Ja, das stimmt, aber warum möchten Sie das wissen?
– Weil Ihr Anton Illegale nach Österreich bringt.
– Bitte was?
– Wussten Sie das nicht?
– Ich verstehe nicht ganz.
– Ihr Anton war ein Schlepper.
– Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wovon Sie reden.
– Er hat unseren Freund hier aus Moldawien mitgebracht, eingepfercht unter dem Fahrersitz.
– Was ist denn das für ein Unsinn?
– Wir haben ihn rausgeholt.
– Wo ist Anton?
– Anton hat unserem Freund hier gesagt, er kann als Hausmeister im Rosenhof arbeiten.
– Anton ist unser Hausmeister.
– War Ihr Hausmeister.
– Ich denke, es reicht.
– Ihr Anton hatte richtig Dreck am Stecken.
– Warum reden Sie in der Vergangenheit über ihn?
– Weil er tot ist.
– Was reden Sie da?
– Es wundert mich, dass Sie noch nicht angerufen wurden.
– Von
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