Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition)

Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition)

Titel: Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
Vom Netzwerk:
zweifelt er. Wie sie reagiert hat, verbietet ihm plötzlich, weiter an das Schlimmste zu glauben. Es waren diese Tränen, die ihn verunsichert haben. Es war ihre aufgeschlossene Art, dass sie sich zu ihnen setzte und mit ihnen Wein trank.
    Das geht zu weit, denkt er. Das hat sie nicht notwendig, sie verdient genug mit Brüsten und Fett, warum sollte sie dieses Risiko eingehen? Menschen zu schleppen, zu ermorden, sie auszuweiden. Warum sollte sie das tun? Das Anwesen steht prächtig da, die Reichsten der Reichen machen hier Urlaub, sie erhalten dieses System, sie widersprechen der Theorie, dass Wilma Rose mehr ist als eine bauernschlaue, tüchtige Ärztin vom Land.
    Max schenkt nach. So viele Fragen. Zweifel. Auch Vadim und Baroni halten ihm die Gläser hin, so lange, bis die Flasche leer ist. In dem Moment, in dem er aufstehen will, um eine neue zu holen, kommt Wilma Rose zurück. In ihrer Hand zwei Flaschen Rotwein und vier frische Gläser. Ihr Gesicht ist wieder ohne Tränen, sogar ein kleines Lächeln ist da. Freundlich setzt sie sich.
    Einen kleinen Augenblick, sagt sie, verteilt die Gläser und füllt sie. Dann hebt sie ihr Glas und trinkt.
    Gewöhnlich trinken wir hier ja nicht, sagt sie, aber heute lässt sich das wohl nicht vermeiden.
    In einem Zug leert sie ihr Glas.
    Wie sie vor ihnen sitzt. Wie ihr Mund auf- und zugeht. Wie sie mit jedem Satz die Hoffnung zerstört, dass sie etwas mit den Leichen zu tun haben könnte.
    Ich habe ihn geliebt, sagt sie.
    Dann macht sie ihr Glas noch einmal voll und trinkt es aus. Schnell und gierig, weil sie zudecken will, was weh tut, weil sie es nicht spüren will, weil sie dieses Gefühl betäuben will. Max weiß, was in ihr vorgeht, er sitzt neben ihr und entschuldigt sich. Dass es ihm leidtut, sagt er. Dass das alles passiert ist.
    Still und unauffällig streicht seine Hand über ihre Schulter. Plötzlich fühlt sich alles wieder kaputt an, ausweglos, sein Leben, die Erinnerung an Hanni, der Schmerz, wie sie tot neben ihm lag. Wie er sie geliebt hatte. Und wie da plötzlich nur noch Tränen waren statt ihrer Haut, Tränen wie die, die über Wilma Roses Gesicht rinnen. Max denkt nicht. Er will nicht, er will nicht dafür verantwortlich sein, für ihre Trauer, für ihre Tränen, für nichts.
    Er lehnt sich zurück und lässt die nächsten Stunden einfach passieren. Ohne zu denken. Stunde für Stunde. Bis es endlich dunkel wird.

Fünfzehn
    Bunte Anzüge, Trachten, weiße Bademäntel.
    Eine Frau Mitte sechzig auf Baronis Schoß. Ihr Bademantel halb geöffnet, Baronis Hand auf ihrem Oberschenkel. Wie sie lachen. Wie man ihre großen, festen neuen Brüste sieht. Wie charmant Baroni ist, wie seine Hand immer weiter nach oben rutscht. Wie Max mit einem Russen Schere Stein Papier spielt, wie pro Runde hundert Euro den Besitzer wechseln. Wie zwei weitere Russen zusehen, kichern und grinsen. Wie Wilma Rose immer noch eine Flasche Wein kommen lässt.
    Max versucht sich zu erinnern, was er alles zu ihr gesagt hat. Er erinnert sich daran, was sie alles wissen wollte, dass sie nicht aufhörte nachzufragen. Wie neugierig sie war. Wilma Rose. Wie Max und Baroni ihr erzählten, was passiert war. Alles. Oder fast alles. Max weiß es nicht mehr. Sie hat ihm so leid getan, ihr Schmerz, ihre Liebe, wie sie gelitten hat. Wie sehr sie wissen wollte, was mit ihrem Anton passiert war, wie er gestorben ist, warum sie dabei waren, was er in Wien gemacht hat, ob er wirklich mit Baronis Tochter geschlafen hat, ob er wirklich Illegale ins Land gebracht hat, ob sie sich wirklich so in ihm getäuscht haben sollte. Wilma Rose wollte alles wissen, alles über die nackten Leichen im Supermarkt, alles über Organe, alles, was Max ihr gegenüber angedeutet hatte. Und sie war bereit, dafür zu tun, was nötig war, sie war bereit, alle Regeln der Hausordnung dafür zu brechen.
    Alkohol floss in Strömen. Das Kaminzimmer wurde zum Sündenpfuhl. Nachdem es sich im Haus herumgesprochen hatte, dass im Kaminzimmer getrunken wurde, nachdem sich zwei weitere ältere Damen der skurrilen Runde angeschlossen hatten, versperrte Wilma Rose die Tür zum Kaminzimmer und erklärte es zum Ausnahmegebiet. Nur die Kellnerin wurde immer wieder eingelassen.
    Stunden vergingen. Stunden, in denen Max und Baroni erneut die Kontrolle verloren. Was sie alles sagten, wie sie sich amüsierten, wie es Max immer mehr entglitt. Was er über die aufgeschnittenen Leichen gesagt hat. Er weiß es nicht mehr. Er weiß nur noch, wie er in Wilma

Weitere Kostenlose Bücher