Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition)
Max. Bis hierher und nicht weiter. Ab jetzt kann ich nichts mehr für dich tun.
– Was soll das, Tilda?
– Ich habe euch gesehen gestern Nacht.
Mit einem besorgten Blick zurück geht sie. Auf die Rufe von Max reagiert sie nicht, als er aufspringt, ihr nachrennt und mit ihr reden will, schiebt sie ihn von sich, sie drückt ihn weg.
Nein, sagt sie.
Bitte, sagt Max und versucht es weiter. Aber Tilda bleibt dabei, sie will nicht mehr darüber reden, darüber, was sie gesehen hat, was sie nicht gesehen hat.
Max kann es nicht fassen. Dass da wirklich noch jemand wach war, dass jemand sie gesehen hat, dass es nicht verborgen geblieben war, was sie vertuschen wollten. Schlimmer noch. Tilda hat sie mit der Leiche gesehen, sie macht sich Gedanken, ihre Phantasie kann mit ihr durchgehen, sie wird nicht wissen, was es in Wirklichkeit zu bedeuten hat. Max will es ihr erklären, er will ihr alles erzählen, er will nicht, dass sie denkt, er hätte etwas mit dem Tod dieser Menschen zu tun. Dass sie sich unnötig sorgt, dass ihr Leben noch schwerer wird, als es ohnehin schon ist.
Ich muss mit dir reden, sagt Max.
Ich will nichts davon wissen, sagt Tilda und geht hinter die Absperrung.
Max bleibt zurück. Er schaut ihr nach, beobachtet das Treiben, die Spurensicherung, all die Beamten, wie sie fotografieren, sich Notizen machen, telefonieren, wie Leftera und der Gerichtsmediziner über der Leiche knien. Ein Spektakel, der Rosenhof im Ausnahmezustand. Wilma Fickinger am Rande eines Nervenzusammenbruchs, mit Händen und Füßen bemüht, den Schaden zu begrenzen. Wie rot ihr Gesicht ist, wie sie schäumt vor Wut, beinahe übergeht, wie sie Max am liebsten umbringen würde, mit Blicken, in Gedanken, brutal und wild. Er spürt es. Ihre wütenden Augen verraten es, am liebsten würde sie einfach die Stopptaste drücken und den ganzen Dreck wegwischen.
Max weiß nicht, was er tun soll, er steht neben anderen Gästen in Bademänteln und schaut zu, wie sie versuchen, Fußabdrücke zu finden, Spuren, irgendetwas, das ihnen sagt, wer diese Leiche hier abgelegt hat. Max hadert. Er muss mit ihr reden, er muss ihr die Wahrheit sagen, alles, er muss. Und er muss es jetzt tun. Entschlossen bricht er unter der Absperrung durch und stürmt auf sie zu, er packt Tilda am Arm und zieht sie mit sich.
Du musst dir das jetzt anhören, sagt er und bleibt hundert Meter oberhalb des Rosenhofes stehen. Von unten sieht man nur einen Mann im Bademantel, wie er wild gestikuliert, wie er unruhig von einem Bein auf das andere tritt, und man sieht eine Frau, die ruhig dasteht und nur den Kopf schüttelt.
Immer wieder geht er hin und her, er umkreist sie, er redet um sein Leben. Tilda kann nicht fassen, was Max ihr erzählt, mit ihrem Kopfschütteln will sie es ungeschehen machen, es auslöschen, sie will es nicht glauben, sie kann nicht. Dass Max und Baroni das mit den Leichen gemacht haben. Das Rennen im Supermarkt, die erste Leiche, das Geld, jetzt der verweste Körper im Brunnen. Immer im selben Rhythmus bewegt sich Tildas Kopf hin und her, immer wieder fragt sie nach, will Details hören, sie will herausfinden, ob der Irrsinn, den Max erzählt, wahr ist, ob ihr Sohn tatsächlich dumm genug war, sich metertief in die Scheiße zu reiten.
Tilda flucht. Sie muss das erst verdauen, sie muss überlegen, was zu tun ist, wie sie reagieren soll, wie sie das Schlimmste verhindern kann. Wie sie Max und Baroni aus der Sache heraushalten kann. Max weiß, dass sie ihm helfen will, dass sie bereits dabei ist, einen Ausweg zu suchen, er kennt sie, sie würde alles für ihn tun. Immer weiter fragt sie, immer weiter schüttelt sie den Kopf, immer tiefer fragt sie sich in den Wahnsinn, der sich von Minute zu Minute mehr auftut. Sie beginnt Max zu glauben, sie will es nicht, aber sie muss es. Und sie hasst ihn dafür, sie packt ihn bei den Schultern und schüttelt ihn. Baroni kann es sehen. Alle können es sehen. Kriminalhauptkommissarin Tilda Broll, wie sie ihren Stiefsohn im Bademantel zurechtweist, wie sie ihm den Kopf wäscht, wie sie plötzlich auf ihn einredet, wie es vom einen Moment zum anderen aus ihr herausbricht, ihre Wut, ihr Abscheu, ihre Zweifel. Obwohl sie spürt, dass Max die Wahrheit über die Leichen sagt, will sie nicht wahrhaben, dass Wilma Rose mit all dem etwas zu tun hat, sie will nicht glauben, dass Max mit seinem Verdacht Recht hat. Sie will, dass es nicht wahr ist, nichts davon. Die Geschichte vom türkischen Anton, Vadim, der Rosenhof, ein
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