Leichentanz
hatte man bewußt nicht geputzt.
Döring kam sich deplaziert vor, was nicht allein an seiner eleganten Kleidung lag. Er war eben kein Mensch für eine derartige Umgebung, doch er aß den sauren Apfel auf, in den er gebissen hatte. Er wußte auch, wo die beiden ihren Wagen stets abstellten, doch der Platz neben dem Eingang war leer.
Döring verschluckte den Fluch nicht. Sehr schnell war dieser Gefühlsausbruch vorbei, der Verstand begann messerscharf zu arbeiten.
Döring sagte sich, daß er die beiden unbedingt sprechen mußte. Für immer und ewig konnten sie nicht verschwunden sein. Er würde nach einer Möglichkeit suchen, in das alte Haus zu gelangen, um dort auf sie zu warten.
Der Himmel zeigte auch jetzt eine sommerliche Bläue, doch auf dem Grundstück und rund um das Haus herum herrschte eine gewisse Düsternis vor, und die Sonne malte nur an bestimmten Stellen helle Flecken auf den Boden. Zur Haustür führte eine nur aus zwei flachen Steinstufen bestehende Treppe hoch.
Die Tür selbst war alt, dunkel, sie paßte einfach zu diesem Bau, und als er am Knauf rüttelte, stellte Döring fest, daß er sich nicht drehen ließ.
Abgeschlossen.
Damit hatte er gerechnet, war auch nicht sauer, sondern begann mit seinem Rundgang. Er fand kein offenes Fenster, durch das er hätte einsteigen können, und er erreichte die Rückseite, wo die beiden Maler ihr Atelier besaßen.
Es lag zum Süden hin, ein sehr großes Fenster ließ Sonnenlicht in den Raum fallen. Auch dort bewegte sich nichts.
Wenn er ins Haus wollte, blieb ihm nichts anderes übrig, als ein Fenster einzuschlagen.
Es standen mehrere zur Verfügung, und an der Westseite sogar zwei Kellerfenster, denn dort war das Haus unterkellert, an den anderen Stellen nicht.
Döring suchte nach einem entsprechenden Stein, fand ihn, umwickelte ihn mit seinem Taschentuch und warf ihn gegen die Scheibe. Es klirrte nicht sehr laut, als das Glas zersprang. Die Reste fielen nach innen, und mit einem Stock schlug er die noch im Rahmen hängenden Splitter weg.
Er konnte durch die Lücke schlüpfen, ohne Gefahr zu laufen, sich zu verletzen.
Der Keller erinnerte ihn an eine düstere graue Höhle. Was er die ganze Zeit über befürchtet hatte, trat ein. In seine Nase strömte der eklige Verwesungsgeruch der Ghouls. Ein kaum zu beschreibender Gestank, einfach widerlich und für einen Menschen kaum zu atmen. Er hatte damit gerechnet und holte deshalb ein zweites Taschentuch hervor, das er um seinen Mund band, um diesen widerlichen Geruch wenigstens etwas zu filtern.
Geduckt ging er weiter.
Auf dem Boden lagen der Dreck und der Staub. Sie zusammen hatten eine regelrechte Schmierschicht gebildet, die manchmal wie eine Rutschbahn wirkte.
Er lief mit vorsichtigen Bewegungen durch den Keller und wunderte sich gleichzeitig über die Größe des Raumes. Früher einmal mußte er als Waschküche gedient haben, denn die alten Tröge waren noch vorhanden. Sie standen auf Sockeln, die eng mit dem Boden verbunden waren.
Er fand eine Tür. Sie ließ sich nur schwer öffnen. Dahinter begann eine schmale Steintreppe mit hohen Stufen. Geduckt schlich er über die Stufen hinweg und stützte sich an dem schmalen Eisengeländer an der rechten Seite ab.
Die Treppe endete dort, wo ein Vorhang hing. Er bestand aus einem alten Sackleinen. Behutsam schob Döring ihn zur Seite – und hielt den Atem an, denn die Luft war in der unteren Etage noch schlechter geworden. Er mußte sich erst etwas daran gewöhnen, bevor er seinen Weg fortsetzte und in den sehr geräumigen Eingangsbereich geriet. Er war spärlich möbliert. Zwei alte Sessel, ein kleiner Tisch, zwei Stühle, der Ofen war nicht an den Kamin angeschlossen. Sein Rohr hing wie ein kaputter Arm an der rechten Seite nach unten.
Das war kein Raum, in dem sich ein normaler Mensch wohl fühlen konnte, aber Ghouls waren keine Menschen. Sie waren nicht einmal Tiere, sondern eine Abart von Dämonen.
Damit hatte sich Döring nie beschäftigt. Für ihn war es wichtig gewesen, kostengünstig an die Knochen heranzukommen, und da hatten ihm die beiden sehr geholfen.
Er sah wieder eine Treppe. Diesmal bestand sie aus Holz. Sie war sehr breit und führte in die erste Etage. Dort wollte Döring nicht hin, ihn interessierte mehr das Atelier, denn wenn die beiden zurückkehrten, würden sie sich bestimmt an ihre Arbeitsplätze begeben, die eine ausgezeichnete Tarnung boten.
Döring liebte zwar die Stille, aber nicht diese hier im Haus. Sie war einfach
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