Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
ein, zwei Gebäude waren noch so weit intakt, dass sie der Französin Unterschlupf für die Nacht boten. Anett wählte ihr Nachtlager so, dass sie einen guten Blick auf die Senke und den Platz hatte, entzündete ein kleines Feuer und bereitete sich eine Mahlzeit, dann legte sie sich zur Ruhe, ihre Pistole und das Schwert in Reichweite neben sich.
Der nächste Tag begann feucht und nebelig. Kaum konnte Anett den Waldrand erkennen. Sie bereitete sich einen Tee und aß etwas getrocknetes Fleisch, dann ging sie zu der Senke, in der die Knochen des Drachen lagen. Ihre Neugier war so groß, dass sie sie kaum bezähmen konnte. Vorsichtig kletterte sie in die Senke hinein. Der Boden war mit einem schwarzen Belag überzogen, der wie getrockneter Teer unter ihren Schuhen war. Sie musste achtgeben, nicht auszurutschen. Die gewaltigen Knochen steckten zum Teil in diesem Überzug, andere lagen frei.
Anett kletterte über einen Knochen, der vielleicht ein Oberschenkel gewesen war, als der Boden unter ihr nachgab und sie in ein tiefes Loch rutschte. Unter der Senke erstreckte sich ein Gang mit Mauern aus gesetzten Steinen, in dem sie sich wiederfand. Offenbar war die Senke dadurch entstanden, dass die Decke über dem Gang eingebrochen war. Anett brauchte einen Augenblick, bis sie sich von dem Schreck erholt hatte. Der Gang war dunkel und ohne Licht würde sie hier unten kaum weit kommen. Sie musste wieder ins Freie und sich eine Fackel besorgen. Es brauchte ihre ganze Kraft, um aus dem Loch herauszukommen, denn der schwarze Überzug war glatt und seltsam zäh. Erschöpft erreichte sie endlich den Rand der Senke. Nach einer Erholungspause durchsuchte sie die Ruinen des Dorfes und trug ein paar trockene Hölzer zusammen. Aus gefundenen Lumpen und Teer aus einer der Ruinen fertigte sie eine lange Fackel und stieg erneut, aber mit größerer Vorsicht, in die Senke hinunter. Um nicht wieder auszurutschen, musste sie sich mit beiden Händen abstützen.
Anett legte die brennende Fackel auf dem schwarzen Grund ab, um Halt zu finden. Das erwies sich als Fehler. Das schwarze Zeug brannte! Es entzündete sich fast sofort an der Fackel und im Nu stand die ganze Senke in Flammen. Panik erfasst Anett. Sie sah keine Möglichkeit, aus der senke, die sich mehr und mehr mit Feuer füllte, herauszukommen! Ihr blieb nichts übrig, als in den Gang hineinzugehen, weg von dem Brand und der Hitze, die ihr entgegenschlug. Mit knapper Not gelang es ihr, die Fackel zu greifen und sich ins Dunkel zurückzuziehen. Die Flammen brüllten über ihr einen schaurigen Gesang und trieben Anett tiefer in den gemauerten Gang. Zum Glück war der schwarze Überzug nicht bis in die Tiefen hinuntergezogen. Anett zog sich weiter und weiter zurück. Nach einer endlos erscheinenden Zeit weitete sich der Gang und die Französin betrat einen finsteren Saal.
Hohe Säulen stützten eine Decke, die so hoch war, dass das Licht ihrer Fackel sie nicht erhellen konnte. Überall lagen Knochen herum. Anett schauderte. Zwischen den Knochen lagen die Leichen von mehreren Männern, die wie vertrocknet wirkten. Zwischen den Toten verstreut lagen Waffen und die Toten waren in fremdartige Kleidung gehüllt. Anett stieg über die Mumien und begann, den Saal zu untersuchen. Vielleicht gab es einen Ausgang, der sie ins Freie bringen konnte. Aber der Saal war in sich geschlossen. Es gab keinen weiteren Ausgang, lediglich den Gang, in dem sie hierhergekommen war. Auch sonst war der Raum so gut wie leer. Zwar fand Anett verfallene Truhen, doch sie enthielten nichts.
Was konnte sie tun? Ihre Fackel würde irgendwann heruntergebrannt sein, dann stände sie allein in der Finsternis und das würde ihr Ende bedeuten. So machte sie sich auf den Rückweg, zurück durch den Gang. Auch das Feuer oben würde irgendwann erlöschen. Anett ging, bis sie die Flammen ihr Licht in den Gang werfen sehen konnte. Sie würde abwarten müssen, bis das Feuer heruntergebrannt war. Der schwarze Teer würde irgendwann erschöpft sein und das Feuer würde erlöschen. Endlos zogen sich die Stunden dahin. Anett fühlte die Hitze der Feuers und einen Luftstrom, der aus dem Gang nach oben wehte. Dann endlich wurde der Sog schwächer und sie wagte sich weiter aus dem Gang hinaus.
Aber der Boden war glühend heiß und Anett wagte es nicht, weiterzugehen. Draußen brach die Nacht an und ein leichter Regen setzte ein. Sie konnte hören, wie die Tropfen auf den heißen Untergrund fielen und zischend verdampften. Sie kauerte
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