Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
huldigen und dass wir es Ihm überlassen sollten, wer von uns den rechten Weg gefunden hat, ihn anzubeten. Ich kümmere mich nicht um den Glauben, den ein Mann hat, ich sehe nur den Menschen. Und die Toten, besonders wenn sie von solch unheiligen Monstern hinterhältig ermordet wurden, verdienen es, dass wir sie ehren.“
Stabener empfand Achtung vor diesem so menschlichen Wesen, das so unmenschlich aussah. Es war empfindsamer, als es die meisten Menschen waren, mehr als er selbst, musste er sich eingestehen. Er nahm noch einen tiefen Schluck aus dem Krug und reichte ihn dann an den Schakalköpfigen zurück. „Euer Name ist Stabener, wenn ich mich richtig erinnere“, sagte der Schakal und verkorkte den Krug wieder sorgfältig. Stabener nickte. „Karl Joseph Stabener, das ist meine Name. Und wie darf ich Euch nennen? Euer Name wurde genannt, als wir im Saal vor Vlad Draculea vorgestellt wurden, doch entsinne ich mich nicht mehr, wie er lautete.“ Er hob entschuldigend die Hände. „Verzeiht!“ Der Schakal neigte leicht den Kopf. „Mein Name lautet Halef Omar Ibn Rasuhl aus Konstantinopel, doch Halef Omar soll reichen.“
„Halef Omar, ich danke Euch für meine Rettung und Heilung“, sagte Karl Stabener. „Wenn Ihr meine Hilfe annehmen wollt … so will ich mit Euch gegen den Vampir dort oben auf der Burg angehen. Ihm muss Einhalt geboten werden, denn wenn es einen Teufel gibt, dann ist der da oben sein Diener!“ „Seid mir willkommen!“ Halef Omar, der Schakalköpfige, erhob sich und trat neben den Mann, den er gerettet hatte. „Ich stimme Euch uneingeschränkt zu. Vlad Draculea hat seine Menschlichkeit verloren und muss aufgehalten werden.“ Er reichte Stabener seine Hand, die der ohne Zögern ergriff.
50. Kapitel
Sie hatte gehofft, den Gestank nie wieder riechen zu müssen, aber nun lag er dichter und stinkender als zuvor über dem Land, durch das sie ritt. Wolken von Fliegen summten um die verwesenden Kadaver herum, die an den Pfählen links und rechts der Straße hingen. Viele waren schon so verwest, dass sie kaum mehr als Skelette waren, die an den Pfählen heruntergerutscht waren und sich an deren Fuß zu Knochenhaufen zusammenschoben. Anett de Facourt hatte sich ein Tuch über Mund und Nase gezogen, das sie mit Parfüm getränkt hatte und trotz dieser Maßnahme stieg ihr der Gestank alles überwältigend in die Nase und brachte sie zum Würgen. Sie war unbestreitbar wieder im Machtbereich Vlad Draculeas angelangt.
Seit Wochen folgte sie nun schon den Spuren Rebekkas und von Steinborns, immer in sicherem Abstand. Doch dieser Gestank trieb sie fort von der Straße. Ohnehin wunderte sie sich, dass die beiden Deutschen auf dieser Straße geritten waren. Ihren bisherigen Weg hatten die beiden im Schutz des Waldes zurückgelegt, soweit dies möglich war. Anett beschloss, sich von der Straße zu entfernen. Sie kannte die Richtung, die Rebekka und von Steinborn eingeschlagen hatten und sie hatte genug Erfahrung sammeln können, um sich zuzutrauen, die Spur der beiden wiederzufinden.
Anett ritt in den Wald hinein und nahm einen Pfad, der sich parallel zur Straße der Gepfählten hinzog. Aber das war nur ein kurzer Moment der Erleichterung. Nach ein paar Meilen war sie in ein Dorf gekommen, in dem es noch weit schlimmer war als auf dem Pflaster der Straße. Das Dorf war überfallen worden und die Bewohner waren samt und sonders abgeschlachtet worden. Überall lagen Leichen herum, Kinder, Frauen, Männer, Alte und Junge. Berge von Leichen, an denen sich Unmengen von Krähen, Fliegen und Würmern gütlich taten. Anett zwang sich, die Toten zu betrachten. Die Kadaver sahen aus, als seien sie von wilden Tieren zerfleischt worden. Kein Körper zeigte Schwertwunden, wie sie Anett schon gesehen hatte. Stattdessen sah sie aufgerissene Kehlen, zerfetzte Hälse und zerbrochene Knochen, die aus offenen Wunden ragten. Was konnte solche Gräuel nur anrichten? Das mussten Bestien getan haben, keine Menschen!
Erst ein paar Meilen außerhalb des Dorfes konnte Anett wieder frei durchatmen. So lange hing der Gestank der verwesenden Leichen noch in ihrer Nase und sie hatte das Gefühl, der Geruch hinge in ihrer Kleidung und ihren Haaren. Doch an ein reinigendes Bad war nicht zu denken. Anett ritt weiter und konzentrierte sich wieder darauf, die Spur von Rebekka und von Steinborn wiederzufinden. Sie lenkte ihr Pferd so lange in Schlangenlinien, bis sie die Abdrücke des Tieres von Steinborns erkannte. Das Pferd war mit
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