Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
zwei verschiedenen Eisen beschlagen. Anett hatte sich daran orientiert, seit sie Montpellier verlassen hatte, um den beiden Deutschen zu folgen. Die Spuren waren noch frisch. Sie erkannte das daran, dass noch kein Laub über die Hufabdrücke geweht worden war. Die beiden Verfolgten konnten nicht weit vor ihr sein. Anett stieg ab und führte ihr Pferd am Zügel weiter. Der Pfad schlängelte sich durch das unübersichtliche Gelände und sie wollte unter allen Umständen vermeiden, entdeckt zu werden.
Gegen Abend erreichte sie eine weite Lichtung, in deren Mitte sich die Ruinen eines Dorfes erhoben. Was erwartete sie hier? Wieder Berge von Leichen und Schwärme von Fliegen? Anett band ihr Pferd an und sattelte es ab. Bald würde es Nacht sein und sie würde heute ohnehin nicht weiterreiten. Sie band dem Tier die Vorderhufe mit einem Lederseil zusammen, damit es genug Freiraum hatte, um zu grasen, aber nicht davonlaufen konnte. Vom Waldsaum konnte sie die Ruinen des Dorfs im Dämmerlicht der untergehenden Sonne gut erkennen. Der Ort schien verlassen und sie konnte auch nicht die Vogelschwärme entdecken, die unweigerlich auftauchten, wo viele Tote offen herumlagen. Anett zog eine der beiden Steinschlosspistolen, die sie an einem Schultergurt trug und spannte den Hahn. Vorsichtig bewegte sie sich in der Deckung einiger Büsche auf der Spur vorwärts, die die Pferde von Rebekka und von Steinborn hinterlassen hatten.
Die beiden waren in das Dorf geritten, ohne Zweifel. Anett erreichte die in Trümmern liegenden Gebäude am Rand des Dorfes. Sie fragte sich, was die Häuser eingerissen hatte. Die Balken der Ruinen waren aus gutem, trockenem Holz. Sie hatte morsche Balken und marodes Mauerwerk erwartet, aber die zerstörten Häuser wirkten, als habe ein Riese die Dächer und Mauern mit einer gigantischen Keule von oben eingeschlagen. Tote konnte sie nirgends erkennen. Nur ein paar Hunde und einige Ratten kreuzten ihren Weg. Trotzdem bewegte sich die junge Französin nur weiter, nachdem sie sich versichert hatte, dass der nächste Abschnitt sicher und frei war und nutzte die Mauerreste zu ihrer Deckung. Vorsichtig spähte sie um die Ecke des Hauses, hinter dem sie Schutz gesucht hatte und zuckte unwillkürlich zusammen. Auf dem freien Platz vor ihr standen von Steinborn und Rebekka.
Ihre Pferde hatten sie gegenüber an einer Ruine angebunden. Anett drückte sich gegen die Mauer. Zu ihrem Glück wehte ein schwacher Wind von vorn in ihr Gesicht, so dass sie sicher sein konnte, dass Rebekka ihren Geruch nicht wahrnehmen konnte. Sie wusste ja, wie gut die Sinne der Vampirin waren. In der Mitte des Platzes befand sich eine Senke und die Deutschen schienen etwas darin zu suchen. Der Freiherr kniete am Rand der Senke und nach einer Weile sprang die Frau in das Bodenloch und erschien kurz darauf wieder. Sie sprang mit Kraft daraus empor, was Anett nicht weiter verwunderte, hatte sie doch schon auf Burg Crest gesehen, welche Kraft in der zierlichen Person steckte. Rebekka hatte gefunden, was sie gesucht hatte, wie es aussah. Anett konnte nicht verstehen, was die beiden miteinander sprachen, zum einen weil die Entfernung zu groß war und die beiden nur leise sprachen, zum anderen, weil sie Deutsch sprachen. Anett beherrschte die deutsche Sprache aber nicht. Rebekka reichte dem Freiherrn etwas von nicht besonderer Größe, was dieser in eine lederne Tasche schob. Dann begaben sie sich zu ihren Pferden. Anett atmete tief durch, als die Deutschen nicht in ihre Richtung, sondern von ihr fort aus dem Dorf ritten. Anett wartete, bis die beiden Reiter im gegenüberliegenden Wald verschwunden waren, bis sie sich aus ihrer Deckung herauswagte. Noch warf die Sonne ein schwaches Licht über die Landschaft und sie konnte deutlich die Senke im Boden ausmachen.
In dem gewaltigen Loch mitten auf dem Dorfplatz konnte Anett anfangs kaum etwas anderes erkennen als eine schwarze, schimmernde Masse mit hellen Bereichen. Erst langsam erkannte sie, dass die hellen Bereiche Knochen waren. Das lag wohl auch daran, dass die Knochen Ausmaße hatten, die sie nie erwartet hätte. Die Knochen waren gigantisch! Im letzten Licht der untergehenden Sonne schimmerten die weißen Knochen des Drachen, den Rebekka, von Steinborn und Nostradamus mehrfach erwähnt hatten. Anett beschloss, am nächsten Morgen nachzusehen, was die Deutschen dort gesucht und gefunden hatten. Sie ging zurück zu ihrem Pferd und holte es in das verlassene Dorf. Trockenes Holz gab es genug und
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