Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
zurück. Er atmete kaum schwerer als zu Beginn der Angriffsserie. Halef deutete auf den Doppelspieß. „Sehr überzeugend! Damit ist man schnell und tödlich wie ein Wüstenskorpion!“
„Der Name gefällt mir!“, sagte Stabener. „Der Skorpion. Halef Omar, Ihr habt eben meiner Waffe einen Namen gegeben.“
„Ich danke Euch für die Ehre!“, antwortete Halef und verbeugte sich. „Dann lasst uns üben, noch haben wir etwas Zeit … oder seid Ihr müde?“
Stabener schüttelte den Kopf. Nein, er war nicht müde. Seit er von Halef Omar mit Hilfe von dessen Blut geheilt worden war, hatte er kaum das Bedürfnis verspürt, zu schlafen. Halefs Blut hatte Stabener verändert. Nicht so tief greifend, wie der Maure vom Blut Hassan-i-Sabbahs verändert worden war, aber doch erheblich! Seine Haut war fast undurchdringlich, seine Kraft war gesteigert worden und sein Durchhaltevermögen! Er war nie ein Schwächling gewesen, aber er hätte noch vor wenigen Tagen kaum zehn Minuten gegen den Schakal bestehen können. Nun war er in der Lage, eine Stunde mit Halef Omar zu trainieren, ohne auch nur außer Atem zu kommen.
Die Männer übten den Gebrauch des Skorpions. Halef Omar war ein geschickter Schüler und Stabener ein guter Lehrer. Doch nach einer guten halben Stunde gebot der Schakal Stabener Einhalt. „Wartet …!“ Der Schakalköpfige lauschte in die Nacht hinein. „Die Vampire kommen zurück und einige reiten in unsere Richtung. Wir müssen verschwinden!“ Stabener hatte zu seinem Leidwesen nicht die scharfen Sinne des Schakals und er konnte auch nicht in der Dunkelheit sehen. „Was ist? Was habt Ihr gehört?“ Halef deutete auf die Festung, die sich wie ein dunkler Schatten auf dem Bergkamm gegen den Himmel abzeichnete. „Reiter. Mehrere Pferde mit Reitern kommen um den Kamm herum. Wir müssen uns schnell in unser Versteck zurückziehen. Sie werden hier vorbeikommen und uns entdecken, wenn wir nicht sofort verschwinden!“ Ohne Stabeners Antwort abzuwarten drehte Halef sich um und rannte den Abhang hinauf zum Eingang der Höhle, die ihnen als Versteck diente.
56. Kapitel
Rebekka schloss ihre Augen und saugte die Nachtluft tief in ihre Nase. Der Geruch des Dorfes sagte ihr, dass sie nicht mehr weit von der Ansiedlung entfernt war. Ein Geruch nach Tieren, Feuer, Rauch, Nahrung und Schweiß, nach Backwerk und Kot, nach Stroh und Lehm. Rebekka bewegte sich schnell und leise. Die meisten Dorfbewohner schliefen. Rebekka kannte dieses Dorf. Hier hatten sie die Schmiede gemietet und den Kriegshammer repariert. Dabei hatten sie den Dorftratsch berichtet bekommen. Sie hatten nur aus Höflichkeit zugehört, aber es war dabei immer wieder die Rede vom Steuereintreiber und Dorfschulzen gewesen. Der Mann war ein Schwein, wenn nur die Hälfte der Geschichten einen wahren Kern hatten.
Er machte sich Weiber zu Willen, wenn die Familien ihre Steuern nicht zahlen konnten und er bereicherte sich an dem, was dem König gehören sollte. Er war gewalttätig und jähzornig und so mancher Dörfler trug sein Zeichen. Genau so einen Menschen brauchte Rebekka jetzt! Die Häuser im Dorf waren alle Fachwerkbauten, aber das Haus des Schulzen hatte ein hohes, steinernes Fundament und einen gemauerten Sockel und war das größte Haus im Ort. Rebekka brauchte nur eine Minute, um in das Gebäude hineinzukommen. Wieder nutzte sie ihren Geruchssinn, der ihr sagte, wo der Dorftyrann schlief. Er roch nach Mann, nach Bier und Schnaps, ungewaschen und nach faulenden Zähnen. Ein großer, kräftiger Kerl mit harten Muskeln.
Er hatte nicht den Hauch einer Chance. Rebekka trank sein Blut bis zum letzten Tropfen und brach ihm dann mit einer Hand das Genick. Dann zog sie ihren Dolch und trennte dem Toten den Kopf ab. Sicher war sicher. Sie wollte keinen Vampir zurücklassen. Der Raum des Schulzen lag im ersten Stock. Rebekka verschloss die Tür sorgfältig von innen und öffnete das Fenster. Ein Blick hinaus, um sicher zu gehen, dass die Straßen leer waren. Sie warf den abgetrennten Kopf des Schulzen aus dem Fenster, warf sich den kopflosen, blutleeren Kadaver über die Schulter und sprang hinunter. Unten sammelte sie den Kopf ein und tauchte in der Dunkelheit unter. Sollten die Dörfler sich einen Reim auf die verschlossene Tür, das offene Fenster und das Verschwinden des verhassten Steuereintreibers machen. Sie musste lächeln bei dem Gedanken an die Gesichter der einfachen Menschen, die sicher vor einem Rätsel stehen würden.
Rebekka lief tief
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