Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
in den Wald hinein, bis sie einen großen Ameisenhaufen fand, auf dem sie Kopf und Körper ablegte. Es würde nicht lange dauern und die kleinen Insekten würden sich über den Kadaver hermachen. Bald würden nur noch die nackten Knochen in der walachischen Sonne bleichen. Dann machte sie sich auf den Rückweg zu ihrem Nachtlager. Von Steinborn und der Assassine schliefen, als sie ankam. Von Hassan-i-Sabbah konnte sie keine Spur entdecken. Wo war der Alte vom Berge? Aber durfte sie das fragen? Hatte sie sich nicht auch von den Gefährten entfernt, ohne ihnen von ihrem Ausflug zu berichten?
Aber Rebekka hatte ein ungutes Gefühl. Sie schlug die Tücher zurück, die vor dem Eingang zu Hassans Zelt hingen und blickte hinein. Keine Spur von dem Alten vom Berge. Und was Rebekka auch nicht sah, war seine Rüstung. Sie huschte zu dem Zelt von dem Assassinen. Der Mann fuhr hoch und griff zu seinem Krummdolch, aber Rebekka hob die Hände und zeigte ihm die leeren Handflächen. Der Mann ließ den Dolch wieder sinken und sah sie fragend an. „Wisst Ihr, wo Hassan-i-Sabbah sich aufhält? Ob er irgendwo hinwollte? Oder wo seine Rüstung ist?“
„Die Rüstung liegt im Zelt des Meisters!“, antwortete der Maure mit seinem gutturalen Akzent, aber in perfektem Französisch. Rebekka schüttelte den Kopf. „Nein, dort ist sie nicht.“ Der Maure schlug die Decke zurück und erhob sich. Rebekka schmunzelte, Der Mann schlief sogar in seinem Kettenhemd. Zusammen gingen sie erneut zu Hassans Zelt. Nach einem Blick bestätigte der Assassine Rebekkas Beobachtung. „Die Rüstung ist fort!“
Dann weckten sie von Steinborn, aber der Freiherr hatte nichts von Hassan-i-Sabbahs Verschwinden bemerkt. Sie beschlossen, sich wieder hinzulegen. Rebekka und von Steinborn hatten ein Zelt gemeinsam. Der Freiherr legte sich sofort wieder hin. Rebekka zog ihre lederne Kleidung aus, bevor sie sich zu ihm unter die Decke schob. „Warst du … essen?“, fragte von Steinborn, als sie ihren Arm um seine Schulter legte. „Ich brauche morgen meine Kraft. Es war nötig.“, sagte Rebekka leise. „Ich mache dir keine Vorwürfe“, antwortete von Steinborn. „Ich akzeptiere die Notwendigkeit, so wie du sie akzeptierst. Ich werde dir nie Vorwürfe machen.“
„Danke!“ erwiderte Rebekka und rollte sich auf den Rücken. Sie legte ihren rechten Arm um den Hals des Freiherrn, den linken, der unter der Decke hervorsah, auf ihr Schwert, das neben ihrem Lager lag. Sie hatte es nicht mit ins Dorf genommen, genauso wenig wie den Kriegshammer. Der neben dem Schwert gelegen hatte. Der dort nicht mehr lag … Rebekka fuhr hoch. „Was ist?“, fragte von Steinborn erschrocken und griff nach seiner Pistole, die wie immer griffbereit neben ihm lag. „Der Hammer ...“, sagte Rebekka heiser. „Der Hammer ist nicht mehr da … Hassan-i-Sabbah muss ihn genommen haben!“
„Verdammt, was hat er vor?“, fluchte der Freiherr. Rebekka fletschte die Zähne. „Der Mistkerl hat meinen Kriegshammer gestohlen. Er will es allein mit Vlad aufnehmen …!“
57. Kapitel
Valejo Carreloio hatte seine zweitausend Mann starke Armee über die Straße der Gepfählten bis nach Poenari geführt. Noch konnten sie die Festung nicht sehen, aber er hatte Späher ausgeschickt, die die Gegend erkunden sollten. Morgen würden sie den Sturm auf die Zitadelle beginnen. Die Männer hatten die Leichen der Gepfählten auf seinen Befehl hin von den Pfählen geholt und sie begraben. Aus den Pfählen ließ er sie nun Belagerungsmaschinen bauen. Poenari würde sicher nicht einfach zu besiegen sein. Die Burg lag strategisch geschickt auf dem schmalen Kamm des Fogarasch. Zu beiden Seiten fielen die Hänge steil ab und machten einen Sturmangriff fast unmöglich.
Carreloio hatte einen Plan ausgearbeitet, wie er die Burg ohne allzu große Verluste einnehmen konnte. Seine Männer bauten Schutzdächer auf Rollen. Unter diesen Dächern würde er seine Männer die Berghänge untergraben lassen, bis die Mauern zusammenstürzten. Er würde die ganze verdammte Festung über Vlad Draculeas Kopf einreißen lassen, Stein für Stein. Der Spanier hatte sich in sein Zelt zurückgezogen. Seine Leute hatten ihm Wein und Brandy hingestellt. Carreloio hatte die Angewohnheit, jeden Abend zwei, drei Gläser zu trinken, bevor er sich zur Ruhe begab. Er schlief dann besser, ruhiger, ohne böse Träume. Das war der Preis, den er für ein Leben voller Tod und Gewalt zahlte. Er war Soldat und zum Soldatenleben gehörte
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