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Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)

Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)

Titel: Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph G. Kretschmann
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voller Gewalt. Ich habe den Frieden immer gesucht, aber nie gefunden.“ Rebekka warf ein paar Stücke Holz ins Lagerfeuer. Die Funken stoben wie kleine Feuerfliegen umher. „Vielleicht“, sagte sie traurig, „ist Frieden nur eine Illusion, die wir Menschen uns machen, ein Wunschtraum ...“ Hassan-i-Sabbah nickte zustimmend. „Aber es ist ein schöner Traum, denke ich. Einer, für den zu kämpfen sich lohnt.“

54. Kapitel
    Anett strich immer wieder mit der Hand über die warme Oberfläche der weißen Kugel. Die silbernen Linien darin schimmerten in der Sonne. Es war ein seltsames Gefühl, das sie immer befiel, wenn sie die Kugel berührte. Es war warm und stark, überwältigend und mächtig. Anett fühlte sich frei von allen Zweifeln und aller Unbill. Es gab nur sie und die Kugel. Nichts war noch wichtig außer der Kugel. Sie hatte aus Brettern, die sie in den Ruinen des Dorfes fand, eine Kiste gezimmert, in der sie die Kugel transportieren konnte.
    Außerdem war sie vor den Blicken von Neugierigen geschützt. Niemand sollte die Kugel sehen. Niemand würde ihr die Kugel fortnehmen! Sie gehörte ihr, ihr allein! Anett hatte ihren Plan aufgegeben, Rebekka und dem Freiherrn von Steinborn zu folgen. In dem Augenblick, in dem sie die Kugel das erste Mal berührt hatte, war der Plan vergessen gewesen. Sie hatte jetzt anderes zu tun. Ohne jeden Zweifel und ohne darüber nachzudenken war Anett völlig klar, dass sie die Kugel schützen musste. Sie würde sie bis aufs Blut verteidigen und notfalls auch ihr Leben dafür geben. Sie musste die Kugel an einen sicheren Ort bringen.
    Es gab da eine Höhle, die sie einst in ihrer Jugend gefunden hatte. Damals war ihr Vater, der General, in der Nähe Gironas, in Spanien stationiert gewesen. Anett war oft durch die Wälder gestreift und hatte zwischen den großen Korkeichen gespielt. Dabei hatte sie eine alte Höhle gefunden, vergessen von den Bewohnern des Dorfes. Die Höhle musste uralt und schon von den Römern errichtet worden sein. Später hatte Anett begriffen, dass sie eine alte Zisterne gefunden hatte, die durch einen Erdrutsch oder ein Beben unbrauchbar gemacht worden war. Dorthin wollte sie die Kugel bringen. Niemand wusste von der alten Zisterne. Konnte es einen sichereren Platz geben, um das kostbarste Ding zu verstecken, das es auf der Welt gab?
    Aber sie musste vorsichtig sein! Sie musste wachsam sein, denn die Menschen würden versuchen, ihr das Kleinod fortzunehmen! Die einen würden es für sich selbst haben wollen, die anderen würden versuchen, es zu zerstören. Diese Verblendeten! Konnten sie denn nicht sehen, was sie so genau erkannt hatte? Konnten sie nicht erkennen, dass das Schicksal der Welt von der Kugel abhing?
    Anett suchte sich ihren Weg im Schutz der Wälder, so weit es ging. Sie ritt nachts und schlief am Tag nur für wenige Stunden. So aß kaum und trank nur wenig. Sie achtete nicht auf ihre Frisur, nicht auf ihre Finger, nicht auf Hygiene. Nur das Kleinod war wichtig, die Kugel, und ihr Schutz. Wenn eine offene Wegstrecke vor ihr lag, dann hielt sie sich weit von den Straßen entfernt. Einmal begegnete ihr eine Gruppe Zigeuner, die ihr ein Nachtlager anboten und zu essen. Sie waren freundlich und freigiebig gewesen, aber Anett war sicher, dass sie ihr nur ein freundliches Gesicht zeigten, um ihr die Kugel zu rauben, sobald sie ihre Augen schloss.
    Sie tötete die ganze Familie, die Kinder, die Großmutter, die drei Männer und vier Frauen des Clans. Sie musste die Kugel schützen! Anett trug die Leichen zu den Wagen, warf sie hinein und zündete die hölzernen Gefährte an. Die Pferde nahm sie mit, denn Reit- und Lasttiere konnten hilfreich sein. Die Kugel war schwer und sie schien immer schwerer zu werden, je länger ihre Reise dauerte. Im Schein der brennenden Wagen aß sie von den Vorräten der Toten, dann setzte sie ihren Weg fort. Fortan war sie noch vorsichtiger.
    Sie ritt durch Oberitalien und hielt sich in den Schatten der Berge, suchte nur Pfade durch Gegenden, die nahezu menschenleer waren. Zu ihrem Glück ebnete ihr die Pest den Weg, befreite ganze Landstriche von den lästigen Bewohnern. Anett de Facourt hätte es am liebsten gesehen, wenn ihre Reiseroute zur Gänze frei von Menschen gewesen wäre. Mochten die Menschen sich aufhalten, wo sie wollten, nur nicht in ihrer Nähe!
    Anett erreichte die Grenze zu Frankreich nach Wochen, doch sie hatte kein Gefühl mehr für die vergehende Zeit. Sie hatte nur ihr Ziel vor Augen. Die

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