Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
Einen winzigen Augenblick später konnte er Schritte hören, die in unmittelbarer Nähe an ihnen vorbeizogen. Die Schritte rührten von mehreren Paar Stiefeln her. Halef zählte ein gutes Dutzend, vielleicht einer mehr oder weniger. Die Männer schienen nicht in Eile zu sein. Sie gingen langsam, fast schon bedächtig. Ihre Schritte waren dabei fest und gradlinig, nicht wie die von Vampiren, die sich eher wie Betrunkene bewegten, es sei denn, der Blutdurst trieb sie an. Dann waren ihre Bewegungen hastig, fordernd, schnell und auf ihr Ziel ausgerichtet. Diese Männer, die da an Halef und Stabener vorbeigingen, waren keine Vampire. Die Schritte entfernten sich. Als Halef sicher war, dass sie weit genug fort waren, ließ er Stabener wieder los.
„Wer zum Henker war das?“, fluchte Stabener und klopfte sich den Dreck von den Kleidern. „Wer sie auch waren, sie sind unterwegs zur Festung.“, antwortete Halef Omar und sein Schakalgesicht verzog sich zu einer Grimasse. „Ich kann sie noch hören. Sie gehen auf die Burg zu ...“ Stabener starrte in die Richtung, in die die Männer verschwunden waren. „Das gefällt mir nicht, ganz und gar nicht!“ Halef nahm sein Bündel vom Rücken und schob es unter einen Busch. Er behielt nur seine ledernen Hosen an und den breiten Gürtel mit seinen Waffen. „Karl, Ihr wartet hier und haltet Wache. Ich gehe diesen Kerlen nach und versuche herauszufinden, was sie vorhaben!“
„Verdammt!“, knurrte Stabener. „Weshalb soll ich warten und Ihr habt all den Spaß?“ Halef grinste sein Schakalgrinsen. „Weil ich schneller und stärker bin und einer aufpassen muss. Glaubt mir, es wäre mir lieber, wenn es andersherum wäre!“
„Ich glaube Euch kein Wort, Ihr freut Euch doch geradezu, von mir fortzukommen!“ Stabener zog sein Schwert und hockte sich in den Büschen nieder. „Aber geht nur immerhin! Ich werde Euch berichten, was hier so geschehen ist während Eurer Abwesenheit!“ Halef lachte heiser, dann verschwand er in der Dunkelheit. Stabener blieb allein zurück. Er blickte zu der Festung hinüber, über der sich ein flackernder, heller Schein breitmachte. Der Brand fraß sich langsam vorwärts.
66. Kapitel
Ich hätte Rebekka zu gern nur einen guten Rat gegeben, aber ich hatte keinen. Wir waren zu dritt, die anderen zählten Hunderte. Wir hatten keine Chance. Hassan lag noch immer bewegungslos und scheinbar ohne Leben in dem Zelt oben auf dem Hügel, Rebekka war die einzige mit wirklicher Kraft, ich war ein nur halbwegs brauchbarer Krüppel und Nazir konnte sich ohne Hassans Blut nicht in einen Werwolf verwandeln. Da kam mir eine Idee. Hassans Blut. Das hatte auch Nostradamus gesagt! Mit Hassans Blut konnte sich Nazir verwandeln und dieser Halef Omar war zu einem Schakal geworden, nachdem er von Hassans Blut getrunken hatte. Was hieß getrunken? Ein einziger Tropfen hatte genügt! Und sein Blut hatten wir! Was, wenn auch ich davon zu mir nehmen würde? Würde ich zu einem Wolf werden? Einem Werwolf? Oder zu etwas anderem, Mächtigen? Dann wäre ich zumindest in der Lage, Rebekka zu helfen, sie … zu beschützen.
Aber ich wollte diese Entscheidung nicht allein fällen. Ich wollte nicht? Ich konnte es nicht! Ich hielt meine geliebte Vampirin noch im Arm. „Rebekka, erinnert Ihr Euch, was Michel über Hassans Blut sagte?“ Ich erzählte ihr von meinem Einfall und machte ihr klar, dass ich das für unsere einzige Chance hielt. „Wie sonst sollen wir dem Vampir entgegentreten, der Vlad geworden ist? Wie gegen seine Armee von minderen Vampiren kämpfen?“ Rebekka schwieg lange. Ich ließ sie nachdenken. Das war nichts, das übers Knie gebrochen werden sollte. „Seid Ihr sicher, dass Ihr das tun wollt? Nicht nur für mich, sondern für Euch?“, fragte sie schließlich. Ich lächelte sie an. „Für Euch, für mich und die ganze Welt. Es liegt in unserer Hand!“
„Dann stimme ich Euch bei“, sagte sie leise. „Lasst uns Nazir fragen, was er dazu zu sagen hat.“ Wir gingen zusammen zu dem Assassinen, der eben die letzten eingefangenen Pferde in den provisorischen Pferch trieb. Der Araber sah uns lange schweigend an und dachte nach. Endlich nickte er leicht. „Ich denke, Ihr hattet eine gute Idee. Ich selbst habe schon daran gedacht, vom Blut des Meisters zu nehmen, aber ich fragte mich, ob ich das entscheiden durfte. Der Meister hatte immer die Entscheidungsgewalt, nie einer von uns vom Orden der Assassinen. Immer nur er … Doch nun ist er nicht in der Lage,
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