Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
eine Entscheidung zu fällen. Ihr habt das an seiner statt getan. Ich stimme Euch zu ...“
„Dann lasst uns keine Zeit verlieren, Nazir, der Assassine.“, sagte Rebekka und deutete eine Verbeugung an. Zusammen gingen wir in das Zelt, in dem Hassans Körper lag. Ich gestehe, dass ich insgeheim darauf gehofft hatte, dass der Alte vom Berge wieder ins Leben zurückgekehrt wäre, aber noch immer lag der Alte da , wie wir ihn hingelegt hatten. Ich nahm einen der Becher vom Tisch und füllte ihn halb mit Wein aus einer der daneben stehenden Flaschen. Rebekka hatte einen ihrer Dolche gezogen.
Nazir bückte sich und hob einen Arm des leblosen Hassan. Rebekka schnitt mit der scharfen Klinge in eine Vene an dem Arm und ich fing das heraustropfende, rote Blut in dem Becher mit dem Wein auf. Ich hatte den Becher zur Hälfte mit rotem Wein gefüllt und das Blut Hassans füllte ihn nun bis zum Rand auf. Das war sicher mehr, als Hassan in den Wein der Werwölfe hatte tropfen lassen, aber ich wollte sicher sein, dass es seine Wirkung tun konnte. „Das ist viel!“, sagte Nazir leise. Er hatte es also auch bemerkt. „Dann nehmt nur einen kleinen Schluck!“, riet ich ihm. Er nickte zustimmend. „Behaltet etwas davon zurück“, erwiderte er. „Wir benötigen es für die Rückverwandlung. Sonst könntet Ihr für immer in der Form bleiben, die Ihr annehmen werdet.“
Ich reichte Nazir den Becher. „Ihr meint, ich würde ein Wolf bleiben?“ Nazir nahm den Becher und stellte ihn auf den Tisch. Dann begann er, sich zu entkleiden, bis er nur noch ein Lendentuch trug. „Vielleicht werdet Ihr zu einem Wolf, vielleicht zu etwas anderem. Das kann man nicht sagen. Erinnert Euch an Halef Omar, der ein Schakal wurde.“
„Aber ich dachte, alle Assassinen würden zu Werwölfen?“, entgegnete Rebekka. „Das ist wahr!“ antwortete Nazir und nahm den Becher mit dem Blutwein. „Aber wir vom Orden werden auf die Umwandlung vorbereitet. Wir lernen im ersten Jahr, wie wir uns konzentrieren müssen, um die Form eines Wolfes anzunehmen. Ihr habt diese Schule nicht durchlaufen und es mag sein, dass Ihr zu einem Werwolf werdet. Aber wahrscheinlich werdet Ihr zu etwas anderem.
Der Meister sagte einmal, dass jeder einen Geist in sich trägt, der die Kraft eines Tieres repräsentiert, das ihm zugeordnet ist. Bei Hassan scheint dies der Wüstenschakal gewesen zu sein. Was es bei Euch, Freiherr, sein kann … wer kann das sagen? Gibt es ein Tier, dem Ihr Euch verbunden fühlt? Etwas, das in Euren Träumen immer wiederkehrt? Oder in Eurer Familie … ein Wappentier?“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich wüsste nicht. Ich habe mich seit meiner frühen Jugend immer nur für Drachen interessiert. Seit ich als Junge sah, wie ein Drache einen Mann zerriss, der mir das Leben gerettet hatte ...“
Nazir nahm einen kleinen Schluck vom Blutwein und reichte mir den Becher zurück. Einen Augenblick lang geschah nichts und ich fragte mich bereits, ob das Blut vielleicht seine Wirkung verloren haben könnte, da lief eine Welle durch Nazirs Körper. Ein Zittern erfasste ihn, er stöhnte laut, krümmte sich, verwandelte sich vor meinen Augen. Ich hörte Rebekka erstaunt einatmen. Nazirs Kopf streckte sich, ich konnte die Knochen knirschen hören, seine Arme und Beine dehnten sich und sein Rücken bog sich nach vorn. Haare sprossen überall an seinem Körper und nach einigen Minuten stand ein wolfsähnliches Wesen vor Rebekka und mir. Nazir reckte sich und atmete tief durch. „Es ist schmerzhaft, jedes Mal“, sagte er mit tiefer, rauer Stimme. „Wollt Ihr noch immer das Risiko auf Euch nehmen?“
Ich warf einen kurzen Blick auf meine schöne Rebekka, die Vampirin, dann setzte ich den Becher an die Lippen und trank einen tiefen Schluck. Ich leerte den Becher mehr als zur Hälfte, ließ aber genug für die Rückverwandlung darin. Rebekka nahm mir den Becher aus der Hand. Sie entkorkte eine leere Flasche aus braunem Glas, die mit reichen Ornamenten verziert war und füllte den verbliebenen Rest hinein. „Eure Kleidung!“, meinte der Werwolf. „Ihr solltet sie ablegen.“ Er hatte recht. Nazir war gewachsen, als er sich verwandelte und es war anzunehmen, dass auch mir das bevorstand. Ich knöpfte mit fliegenden Fingern mein Hemd und die Weste auf, warf sie von mir, dann die Stiefel und die ledernen Hosen. Gerade noch rechtzeitig. Ein Ziehen machte sich in meinen Eingeweiden breit, mir wurde heiß und meine Glieder begannen zu schmerzen. Dann wurde mir
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