Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
Abfallgrube gesprungen. Es war stockfinster. Vlad tastete mit der Hand nach oben und stieß gegen die Haut des Drachen. Er spürte den Herzschlag des Monstrums. Das war seine Gelegenheit. Er packte Rebekkas Schwert und stieß zu.
Ein schneller Ruck, eine Drehung. Er fühlte etwas Warmes auf seiner Hand. Drachenblut? Vlad riss das Schwert aus der Wunde und stieß mit der linken Hand die mumifizierte Hand so tief in die Wunde hinein wie möglich. Bis zur Schulter verschwand sein Arm im Drachenleib. Vlad löste seine Finger von der Mumienhand und zog den Arm zurück. Denn blendete ihn das grelle Licht der Sonne und ein Schrei wie von tausend Krähen dröhnte in seinen Ohren. Der Rache wand sich vor Schmerzen. Vlad starrte auf das monströse Wesen über ihm und bleckte grinsend die Zähne. „Das schmeckt dir nicht, wie?“
Der Drache brüllte, schlug um sich und warf sich auf den Rücken, als könne das den brennenden Gegenstand aus seiner Brust herausreißen. Ein Zittern lief durch seinen ganzen Körper, ließ ihn erbeben und sich zusammenkrampfen. Der riesige Leib wand sich, krümmte sich und schlug wie wahnsinnig mit den Flügeln. Ein Knirschen und Knacken lag in der Luft. Dann brach der Körper des Drachen auf. Das Untier brüllte noch lauter, sodass sich die Männer die Ohren zuhielten. Der Drache spie Galle, begann an der Wunde, die Vlad ihm geschlagen hatte, zu bluten, erst nur fast unmerklich, dann immer mehr, bis endlich ein Strom von Blut aus dem verwundeten Körper schoss und in dem Loch im Dorf verschwand.
Langsam erschlaffte der Drache, sackte in das Loch zurück, aus dem er gekrochen war. Der Körper begann zu schrumpfen, Risse zeigten sich in seiner Haut. Dann erstarrte der Drache, neigte sich zur Seite und krachte mit ohrenbetäubendem Lärm zu Boden. Der Körper krumpelte sich zusammen, schrumpfte und verkrüppelte zu einem Häufchen schwarzen, schleimigen Rußes, der nur in der äußeren Form dem Drachen ähnelte, der er eben noch gewesen war.
Alles Fleisch hatte sich in einen stinkenden Brei verwandelt, aus dem nur noch die Knochen des Untiers herausragten. Fasziniert starrte Vlad Draculea auf die Reste des Ungeheuers. Er hatte es geschafft. Sie hatten es geschafft! Der Drache war vernichtet, sie hatten gewonnen und die Gefahr war gebannt. Dann traf ihn ein Schlag wie von einem Hammer genau vor die Brust, warf ihn um und drang in ihn ein. Schmerz, Schwärze, Angst! Vlad wurde es schwarz vor Augen. Barmherzige Bewusstlosigkeit umfing ihn und beendete die Schmerzen.
3 2. Kapitel
Karl Stabener hatte alle gefunden. Die versprengten Pferde waren alle nicht weit gelaufen. Pferde sind von Natur aus Fluchttiere. Sobald die Gefahr, vor der sie flüchteten, außerhalb ihrer Augen und Nüstern war, hatten sie sich beruhigt und sich ein schönes Stück zum Grasen gesucht. Stabener fand drei der Wachen, die auf die Tiere gefesselt worden waren, noch am Leben. Die anderen waren tot. Einer war in seinen Fesseln verrutscht und stranguliert worden, ein anderer bei der Flucht des Pferdes, auf das er gebunden worden war, mit dem Kopf gegen einen Baum geschlagen und hatte sich das Genick gebrochen. Ein anderer war verblutet. Etwas Scharfkantiges hatte seinen Arm aufgerissen.
Nostradamus war seinem Ruf als genialer Arzt mehr als gerecht geworden. Er hatte die Männer verbunden und ihnen heilende Tees aus Pflanzen bereitet, an denen Stabener achtlos vorbeigeritten war, ohne zu ahnen, welche heilenden Kräfte in ihnen schlummerten. Jetzt ritten sie zurück nach Poenari, der Festung Vlad Draculeas. Der Wald um sie herum war dicht und unten auf dem Boden war es dunkel, selbst am helllichten Tage, aber Karl Stabener kannte sich aus in dichten Wäldern. Er stammte aus einer Gegend, die von weitläufigen Buchen- und Eichenwäldern bestanden war. Was anderen Furcht einflößte, war ihm Heimat. Er fühlte sich wohl in dichten Wäldern. Er liebte den schweren Duft des Waldes und die schattige Kühle.
So hatte er keinerlei Schwierigkeiten, die Festung zu erreichen. Die Männer, die er befreit hatte, waren verwirrt. Er, der ihre Kameraden abgeschlachtet hatte, befreite sie nun! Für das eine wollten sie ihn hassen, für das andere umarmen. Ohne seine Hilfe wären sie in ihren Fesseln auf den Rücken ihrer Pferde einfach verreckt, wenn nicht ein glückliches Geschick irgendeinen Fremden über den Weg der Pferde geführt hätte. Und wahrscheinlich hätte man ihnen in solchem Fall eher die Hälse durchgeschnitten, um an ihre
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