Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
Notre-Dame? Michel de Notre-Dame?“, fragte die Französin und ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Ich nickte. „Ja, Michel de Notre-Dame aus Montpellier. Ihr kennt ihn?“ „Nun, nein, nicht persönlich, doch wer hätte noch nicht vom berühmten Nostradamus gehört! Aber er kannte meinen Vater, der mir von dem Propheten der Königin erzählt hat, den er auf dem Markt in Beaucaire kennenlernen durfte, wenn ich mich recht entsinne, und ich freue mich darauf, den berühmten Mann ebenfalls kennenlernen zu dürfen.“
Ich holte meinen Weinschlauch, in dem ich einen trinkbaren Roten mit mir führte und schenkte den Damen und mir davon ein. „Dann lasst uns auf eine angenehme Reise ohne Überraschungen trinken!“ „Ich danke Euch! Aber ich muss noch meine Pferde holen, die ich Stück Weges abseits von hier angebunden habe.“ „Ich werde Euch begleiten, Madame, und dann werden wir reden und trinken, wenn‘s beliebt!“ Anett de Facourt neigte zustimmend ihren Kopf und so gingen wir, ihre Tiere zu holen, während Rebekka bei unserem schlafenden Freund Michel Wache hielt.
3 4. Kapitel
Es war ein gewaltiges, überwältigendes Erlebnis gewesen, ein Erlebnis, so berauschend wie eine starke Droge. Wie armselig war dagegen das Dasein als Mensch! Er war ein Halbgott gewesen, aber er war seines göttlichen Attributs beraubt worden. Beraubt? War es nicht eher ein Geschenk gewesen, das ihm zuteilgeworden war? Doch was hatte es ihm gebracht? Er fühlte eine große Leere in sich, riesig und dunkel. Halef Omar konnte sich nicht von dem Erlebten lösen. Er war mit Hassan-i-Sabbah und Khalil, dem letzten der Assassinen, von der Festung Poenari fortgeritten, in der Annahme, dass sie nun zum Alamut zurückkehren würden. Hassan-i-Sabbah hatte aber andere Pläne. Er wollte den Drachen vernichten und das hatte er nicht geschafft. Der Alte vom Berge wollte sich nicht geschlagen geben.
Hassan-i-Sabbah war nur zum Teil ein Mensch. Der andere Teil war magisch, nicht von dieser Welt. Sein Blut verwandelte die, die es tranken, in Werwölfe, Schakalgötter oder Krokodilmenschen, je nachdem, welche Veranlagung derjenige hatte, der es trank. So hatte der Alte vom Berge seine Assassinen rekrutiert. Sie dienten ihm für einige Zeit und erhielten dann die Fähigkeit, sich in Werwölfe zu verwandeln und so nahezu unverwundbar zu werden. Wenn die Männer das Blut oft genug zu sich genommen hatten, in kleinen Dosen nur, dann blieb die Fähigkeit schlussendlich. Wenn sie den Orden der Assassinen verließen, waren sie in der Lage, sich wann und wo sie wollten zu verwandeln. Hassan-i-Sabbah hatte sie einen guten halben Tagesritt von Poenari ein Lager aufschlagen lassen. In der folgenden Nacht wollte er dorthin zurückkehren.
Hassan spürte den Drachen in Vlad Draculea und die unterschwellige Wut und den Hass in dem Woiwoden. Er fühlte die latente Gefahr, die von dem Mann ausging und er wusste um die Fähigkeiten, die der Herrscher der Walachei erlangt hatte. Auch die junge Deutsche, die sich Rebekka nannte, trug einen Drachen in sich, so wie Georgios, Sankt Georg, es getan hatte. Doch erschien ihm die Gefahr, die von der beherrschten Frau ausging, als nicht so bedeutend wie die, die der Woiwode darstellte. Um die Vampirin wollte er sich nichtsdestotrotz später ebenso kümmern.
Die Sonne verkroch sich für die Nacht hinter dem Horizont und Hassan-i-Sabbah vollzog das Blutritual mit seinen beiden verbliebenen Anhängern. Khalil trank das Blut, vermischt mit Wein und verwandelte sich in seine Wolfsgestalt. Dann war die Reihe an Halef Omar und das Gefühl von Macht und Stärke kam zu ihm zurück. Anubis, der Schakalköpfige, erstand aus dem Blut Hassans und dem Körper und Geist Halef Omars. Auch Hassan-i-Sabbah nahm seine magische Gestalt an. Majestätische Flügel wuchsen aus seinem Rücken, der Unterkörper bildete sich zu dem eines Bocks aus. Der Oberkörper und der Kopf blieben, wie sie gewesen waren.
Das unheimliche Trio machte sich auf den Weg zurück nach Poenari. Hatten sie für den Weg fort von der Festung einen halben Tag benötigt, so überwanden sie die gleiche Strecke nun ohne größere Anstrengung in kaum zwei Stunden. Hassan-i-Sabbah flog voran, der Wolf und der Schakal folgten mit atemberaubender Geschwindigkeit. Sie achteten sorgsam darauf, nicht von irgendwelchen Menschen gesehen zu werden. Das hätte nur Gerüchte geschürt und wäre auch gefährlich gewesen, denn ein ängstliches Volk war unberechenbar. Die Nacht war
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