Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
Umweg machen müssen, denn Crest lag nur ein paar Meilen entfernt von der Straße, auf der wir ritten. Unser Weg hatte erst nach Norden geführt, heraus aus den Leichenwäldern der Gepfählten. Jetzt ritten wir gen Westen. Unsere Route würde uns über Venedig und Genua an der Küste des Meeres entlang bis Grasse führen, von wo aus es nach Norden, nach Crest gehen würde. Ich hoffte wirklich, dass wir diesen geheimnisvollen Kriegshammer finden würden. Eine andere Waffe gegen den Drachen hatten wir nicht finden können. Und selbst diesen ominösen Hammer mussten wir erst finden. Immerhin hatten wir Michel de Notre-Dame an unserer Seite, einen Mann, der in Frankreich einen Ruf hatte wie Donnerhall! Zwar sprachen Rebekka und ich fließend Französisch, doch wusste ich um die Empfindlichkeiten der Franzmänner, was Deutsche anging. Wir waren nicht sehr wohlgelitten beim französischen Adel.
Michel aber war Franzose, besser noch, er stammte aus der Gegend und war ein Protegé der Königin! Keiner würde es riskieren, ihm einen Wunsch abzuschlagen! Ich schwieg und ritt neben meinen Gefährten, bis es Abend wurde. Wir schlugen unser Lager auf und entfachten ein kleines Feuer. Wir unterhielten uns beim Abendbrot über die nächsten Stationen unserer Reise, dann legten Michel und ich uns zur Ruhe. Rebekka übernahm die erste und dritte Wache. Als Vampir benötigte sie keinen Schlaf, aber ich würde trotzdem die Mitternachtswache übernehmen, damit sie wenigstens ein wenig Ruhe finden konnte. Gegen Mitternacht weckte sie mich und ich setzte mich an unser kleines Feuer und hing meinen Gedanken nach.
Ich gestehe, dass meine Aufmerksamkeit nicht ungeteilt war. Zu viele Fragen gingen mir durch den Kopf. Doch war ich wachsam genug, dass wir nicht überrascht werden konnten. Ein Geräusch ließ mich hochschrecken. Ich hatte meine Pistolen dicht neben mir liegen und nahm sie nun zur Hand. Etwas näherte sich unserem Lager. Ich spitzte meine Ohren und lauschte. Ein Zweig knackte. Links hinter mir. Ich tat, als schüre ich das Feuer und stocherte mit einem Ast in den Flammen. Dann erhob ich mich und trat aus dem Schein des Feuers. Der Schein reichte nicht weit und die Dunkelheit verschluckte mich. Ich hatte gelernt, mich geräuschlos zu bewegen. In einem Bogen ging ich um unser Lager herum, bis ich mich hinter der Stelle wähnte, an der der Zweig gebrochen war. Meine Augen hatten sich schnell an das Dunkel der Nacht gewöhnt. Im fahlen Licht des Mondes konnte ich einen gebückten Schatten erkennen, der sich hinter einen Busch duckte und unser Lager im Blick hatte. Ich spannte den Hahn meiner Pistole. Hart und metallisch klickte es, als der Hahn in die Rast fiel. Jetzt war die Waffe gespannt und ein leiser Druck auf den Abzug würde das Pulver entzünden und die Kugel aus dem Lauf jagen.
„Keine falsche Bewegung, wer auch immer Ihr seid! Steht langsam auf und hebt Eure Hände hoch über Euren Kopf!“ Der Schatten war sichtlich überrascht zusammengezuckt. Langsam richtete sich die Gestalt auf. Der Kerl schien nicht sehr groß zu sein. Wie ich es verlangt hatte, hob er die Arme über den Kopf und drehte sich um. „Was schleicht Ihr hier herum, wenn ich fragen darf? Ein kleiner Überfall zu nächtlicher Stunde?“ Ich trat ein paar Schritte auf den Fremden zu. „Nun? Befindet Ihr mich keiner Antwort für würdig?“ „Ich … hatte nicht die Absicht, Euch zu überfallen, Monsieur.“ Die Stimme war hell, nicht eben die Stimme eines erwachsenen Mannes, eher die eines Halbwüchsigen. Das hätte auch die geringe Körpergröße erklärt.
„Natürlich nicht!“ Ich wollte wissen, mit wem ich es zu tun hatte. „Nehmt Euren Hut ab! Aber bitte tut das sehr vorsichtig und sehr langsam!“ Der Kerl griff langsam nach seiner Kopfbedeckung, wie ich es gewünscht hatte. Langes blondes Haar fiel auf den Mantelkragen herab und zwei große Augen sahen mich voller Angst an. Vor mir stand eine sehr junge Frau, kein Mann oder Jüngling. Um so mehr wunderte mich, dass die Person nach Mitternacht um unser Lager herumschlich. Was war ihre Absicht gewesen? Ich ließ die junge Frau vor meiner Pistole hergehen. Im Lager stand Rebekka vor ihrem Zelt und wartete auf mich und meine Gefangene. Ich hätte es mir denken können. Ihr Gehör war um so Vieles schärfer als das von uns normalen Menschen.
„Ihr habt Besuch mitgebracht, Freiherr?“ Rebekka sprach Deutsch mit mir. Meine Gefangene hatte Französisch mit mir gesprochen. Ich antwortete ebenfalls
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