Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)
ihren Interruptus am Morgen anspielte, suchte er in ihrer Miene nach Zeichen von Ironie, aber sie war ganz darauf konzentriert, aus der Schüssel eine Erdbeere auszuwählen, und blickte nicht auf. Celeste warf ihm einen Blick zu, der wissend, aber nicht unfreundlich war. Er runzelte die Stirn. Bisher spürte er lediglich ein analytisches Interesse an dem, was er gesehen hatte. Ihr Anblick hatte etwas Olympisches gehabt, etwas Archetypisches: Mann und Weib, die sich zwischen Spinnweben und Staubwolken begatten. Es gab drei Agathas: die in seinen Fantasien, die, deren Körper er geküsst und liebkost hatte, und jene, die er soeben gesehen hatte, wie sie sich splitterfasernackt einem gierigen, täppischen, grapschenden, glücklos versteiften Eindringling hingab.
»Und wie hat Livia reagiert?«, fragte Celeste.
»Sie ist abgehauen«, sagte Winn. »Tabitha, wie war eure Überfahrt?«
»Die Arme«, sagte Celeste.
»Meinst du Livia?«, fragte Biddy verblüfft. »Wieso ist sie arm?«
Celeste beugte sich mit verschwörerischer Miene über den Tisch und legte die Korallennägel ihrer Hand um die Kante. »Ich sag’s mal wie die Teenager: Gestern Nacht hat sie mit Sterling rumgemacht.«Sam Snead, die Hochzeitsplanerin, zog die Fliegentür auf (NICHT ZUKNALLEN!, befahl ein Schild) und spähte in die Diele. Sie hörte Stimmen aus der Küche. »Hallo!«, rief sie. Das Gespräch verstummte. »Hallooo!«
Biddy rief: »Wir sind in der Küche! Treten Sie ein!«
Sam Snead war nicht der wiedererstandene berühmte Golfspieler, sondern eine Frau namens Samantha, die einen Mann mit dem Namen Snead geehelicht hatte. Sie wurde nirgends Samantha oder Mrs Snead genannt; ihr Vor- und Nachname waren schlicht zu einem einzigen Namen verschmolzen, und alle sagten nur Sam Snead. Das klang wie ein absurdes Pseudonym, obwohl sie lieber davon ausging, dass der Name ihr nicht die Identität geraubt, sondern sie mit einer eigenen Markenbezeichnung beschenkt hatte. Sie war nicht einfach die weibliche Person Sam Snead; sie war Sam Snead ® – Hochzeitscoaching Exklusiv. Bei der Eheschließung hatte sie zunächst ihren Mädchennamen (Rabinowitz) behalten wollen, doch am Ende hatte sie sich achselzuckend für das Positive am Neuen entschieden (viele ihrer Kunden hegten eine tiefe Zuneigung zu dem Golfspieler Sam Snead, aber weniger zu Leuten, die Rabinowitz hießen) und sich rasch damit abgefunden, denn so, erklärte sie ihren Kunden, pflege sie sämtliche Krisen und Unannehmlichkeiten zu handhaben, und es war wohl auch dies, was sie zu einer erstklassigen Hochzeitsplanerin machte, die Spitzensätze verdiente.
Das Erste, was ihr auffiel, war der Verband um Mr Van Meters Bein und der traurige Zustand seiner Tenniskluft. »Meine Güte! Was ist mit Ihrem Bein passiert?«
In dieser Küche war irgendwas im Gange. Während Mr Van Meter seine Erklärung abgab – eine seltsame Geschichte mit einem Fahrrand und einem Golfwagen –, nickte sieimmer wieder mit freundlichem, munterem Gesicht zum Zeichen, dass sie zuhörte, aber musterte mit geübtem Auge zugleich die ganze Gruppe. Mr Van Meter wirkte völlig erschöpft. Das lag nicht nur an seinem Bein. Er hatte Ringe unter den geröteten Augen und war von Blut und Dreck verschmiert. Die anderen, die drei Frauen, sahen aus, als hätte man sie beim Klatsch ertappt. Sam Snead hatte sich ihren Platz in der Welt der Hochzeitsplaner durch eine ausgeprägte Sensibilität für menschliche Zwistigkeiten erobert. Wie viele Katastrophen hatte sie über die Jahre abgewendet – wie viele Brüche? Wie viele kalte Füße hatte sie gewärmt, mit rosarotem Gerede von Zukunft und Familie und nicht rückzahlbaren Vorschüssen? Sie konnte sie gar nicht mehr zählen. Es mochte auch sein, dass sie ein paar Fehler begünstigt hatte, natürlich. Aber sie kannte keine Zahlen, denn sie hielt ungern den Kontakt zu ihren Hochzeitspaaren. Am liebsten war es ihr, sie winkte ihnen nach, wenn sie in die Flitterwochen starteten, und sah sie dann nie wieder – außer als Namenspaar über ihrer Schlussabrechnung.
Als Mr Van Meter mit seinem Bericht fertig war, sagte sie. »Was meinen Sie denn als Brautvater: Können Sie es schaffen, Ihre Tochter den ganzen langen Gang hinunter zu geleiten? Und wenn das nicht geht, kriegen wir Sie mit Schmerzmitteln so hin, dass Sie es schaffen?«
»Das wird kein Problem sein«, antwortete er. Seine Augen waren glasig und sein Blick verschwommen, sein Benehmen war weniger formell und gereizt als sonst.
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