Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)
bei Beerdigungen weinten, als gehörten Tränen dazu wie Applaus bei einem Tennisspiel. Ihm gefiel ihr marineblaues Kleid, ihre schlichte Frisur, der verbliebene Rest ihrer Sommerbräune, ihre aufrechte Haltung. Möglicherweise wares ungehörig, auf der Beerdigung seines Vaters nach einer Freundin zu angeln, doch er verspürte keine Schuldgefühle, nur Dankbarkeit für Biddys Anwesenheit. Ihr properes Gesicht verhieß Hoffnung und Frische, während sonst um ihn herum nur Verfall herrschte.
Weniger als ein Jahr später heirateten sie auf dem Rasen ihres Elternhauses in Maine. Die Gästeliste war kurz, weil er noch um seinen Vater trauerte. Biddy steckte ihm eine Kirschblüte ans Revers, die irgendwann unbemerkt verloren ging. Seine Mutter blieb im Haus und schaute aus einem Fenster zu, weil sie für die Seeluft zu schwach zu sein meinte. Biddys Kleid war dezent, beinahe schlicht. Harry Pitton-White, Winns Trauzeuge, litt an einem Magen-Darm-Katarrh und schwankte während der Zeremonie wie ein beinahe gefällter Baum. Bei seinem Toast sagte Biddys Vater, er sei froh, dass Biddy einen Mann heirate, der nie Dummheiten machte, was Winn als Kompliment und Drohung zugleich verstand. Nachdem er mit Biddy in ihr bedrückend geblümtes Zimmer im Bed & Breakfast aufgebrochen war, hatten die jungen alkoholisierten Hochzeitsgäste nackt im frühlingskühlen Atlantik gebadet, und Winn war am nächsten Tag, als er beim Brunch davon hörte, vor Neid ganz wehmütig ums Herz geworden. Unter ihrem Hochzeitskleid hatte Biddy einen weißen Hüftgürtel und Strümpfe getragen, die er unglaublich sexy fand. Aber das sagte er ihr nicht, weil er sie einerseits nicht verlegen machen wollte und andererseits fälschlicherweise davon ausging, dass sie einen ganzen Koffer voll Reizwäsche besaß, die sie unaufgefordert im Laufe ihres ersten Jahres vorführen würde. Kein Kommentar zu den Strümpfen – sein erstes Versäumnis in der Ehe.
Er glaubte, sich an fast alles an seinem Hochzeitstag zuerinnern, aber an die Vorbereitungen entsann er sich nicht, und ganz gewiss an nichts, was mit dem Tohuwabohu für Daphne zu vergleichen wäre. Seine Hochzeit war eine Hochzeit gewesen und kein Familientreffen plus Raketenstart plus Staatsbankett, alles auf einmal. Es mochte sein, dass Biddy und ihre Mutter Entscheidungsqualen durchgemacht hatten und beim Vergleichen unzähliger Weißtöne und aller Blumen auf der Welt schier wahnsinnig geworden waren, aber er war mit anderen Dingen beschäftigt gewesen, seiner Arbeit und Golfspielen und den feuchtfröhlichen Riten seiner letzten Junggesellentage. Auch heute hätte er Golf spielen gehen oder seine Arbeit vorschieben können, aber in seiner Abwesenheit würden das Haus und sein Postfach und das Bewusstsein seiner Frau trotzdem vor Einladungen und Frisuren und Geschirr und Streichquartetten und mit der Frage überfließen, ob eine Schokoladenbuttercreme auf der Karamelltorte zu schwer war. Auf einmal entwickelte er entschiedene Ansichten über Dinge, über die er nie zuvor nachgedacht hatte – Gästebücher und Andenken für die Gäste, Servietten und Tischschmuck. »Taglilien«, sang Biddy im Schlaf. »Tulpen.« Unmengen von Schecks, ganze Bündel von ihnen, genug für eine Konfettiparade, flatterten von seinem Schreibtisch, landeten kurz auf Biddys oder Daphnes Fingerspitzen und landeten in den Geschäftsbüchern der Floristin, der Schneiderin und der ganzen übrigen Bande der Gewerbetreiber, die munter an seinen Geldbeständen knabberten.
»Es ist eben alles eilig«, sagte Biddy, »und das kostet extra, da können wir nichts machen.«
Sie hatte recht. Sie konnten nichts machen. Greyson war absolut in Ordnung. Er trug Krawatten und Gürtel mit aufgeprägten Enten oder Walen und war stets liebenswürdig.Er konnte segeln, rudern und tanzen und ging gern auf Partys. Fünf Jahre nach dem Studium hatte er sich schon ein kleines Vermögen verdient, aber zeigte sich nie protzig oder geschmacklos, trug ausgefranste Kakihosen und fuhr einen kleinen uralten Nissan, was Winn für ein Zeichen hielt, dass er aus gutem Hause stammte. Ja, wirklich, Winn wäre rundum stolz und zufrieden mit der Wahl seiner Tochter, wäre da nicht die Beule unter Daphnes Hochzeitskleid. Ihre Finger waren bereits so geschwollen, dass der sorgfältig ausgewählte Ehering nicht mehr passte, und sie hatten in letzter Minute einen Ersatzring für die Trauung erstehen müssen.
»Sie haben beide in Princeton studiert«, hatte Winn zu Biddy
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