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Leichte Turbulenzen - Roman

Leichte Turbulenzen - Roman

Titel: Leichte Turbulenzen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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gesagt?«
    »Ich weiß nicht, ich dachte. Irgendetwas mit Thanksgiving. Ob ich …«
    Er hatte sie wirklich gefragt! Oh, mein Gott! Ivy hängte sich ihre Reisetasche über. Sie plapperte los: »Ich glaub, Sie haben mich gefragt, ob ich zu Thanksgiving mit zu Ihren Eltern nach Greensboro kommen möchte. Danke, aber ich befürchte, das ich nicht flie…«
    Desmond hob abwehrend die Hand. »Bitte! Ist schon gut. War nur ein Witz. Ich wollte …«
    Gerade konnte er keinen klaren Gedanken mehr fassen. Das alles war ziemlich peinlich. Ein wenig zu direkt. Sie musste ihn für einen Verrückten halten. Für einen Stalker. Für einen, der es nötig hatte, Frauen im Flugzeug anzusprechen. Diese Frau erlebte das bestimmt öfter. »Verzeihen Sie! Machen Sie es gut! Und denken Sie an mich, wenn Sie Vincent van Gogh modellieren. Oder nein, besser nicht!«
    Mit wehendem Trenchcoat lief Desmond den Gang hinunter. Glücklicherweise hatte sich die Maschine inzwischen fast vollständig geleert, sodass er relativ gut durchkam. Was redete er da für ein dummes Zeug?! »Und denken Sie an mich, wenn Sie Vincent van Gogh modellieren!« Meine Güte! Glücklicherweise hatte er nur Handgepäck. Er trabte die Gangway hinunter, durch die Drehtür, raus in die überfüllte Ankunftshalle.
    Überall standen die Reisenden herum.
    Als sei nichts geschehen.
    Vor den Fahrkartenschaltern, am Costa-Coffee-Stand, bei den Autovermietungen. Sollte er vielleicht doch auf sie warten? Es noch einmal versuchen? Sie war ja nicht einmal bei Facebook. Und ihre Telefonnummer hatte er auch nicht. Doch diese Ivy war etwas Besonderes. Das wusste er. Er hatte, durch einen kurzen Moment der Unbewusstheit, alles zunichte gemacht. »Wollen wir meine Eltern in diesem Jahr noch in Greensboro besuchen? Vielleicht zu Thanksgiving?« So eine Frage stellten nur Leute, die nicht mehr Teil der Gesellschaft waren. Leute mit ernsten psychischen Problemen. War er denn überhaupt auf der Suche? Sie in Europa, er in den USA. Wie sollte das gehen? Diese Ivy würde garantiert niemals einen Interkontinentalflug antreten. Überhaupt wollte er sich doch jetzt ganz und gar auf seine Komponistenkarriere konzentrieren, damit er seinen Eltern endlich etwas Erfreuliches zu vermelden hatte. Auf der anderen Seite würden sie sich über eine Schwiegertochter freuen. Er würde ihnen einfach verheimlichen, dass sie je ein Pony besessen hatte. Hauptsache, sie war nicht auch noch Spielkameradin von Hunden, Kaninchen und Katzen gewesen. Er machte ein paar tapsende Schritte Richtung Costa Coffee. Sollte er sich dort drüben hinter der Vitrine mit den Muffins verstecken und auf sie warten? Und wenn sie dann mit ihren silbernen Sandalen und ihrer kaputten Reisetasche kam, sollte er sie dann ansprechen oder ihr unauffällig hinunter zu den Zügen folgen? Er wusste ja nicht einmal, wo sie wohnte! Was sollte er denn im Zug zu ihr sagen? »Hallo, da bin ich wieder?!« Sie musste ihn für einen Wahnsinnigen halten. Für einen Wahnsinnigen? Was, bitte, war in dieser Welt schlimmer und hinderlicher, als für einen Wahnsinnigen gehalten zu werden?

3.
    Anstatt den Zug in die Innenstadt zu nehmen, hatte Ivy sich mit ihrer schweren Reisetasche durch die Ankunftshalle, am Costa-Café vorbei geschleppt und vergeblich nach Desmond Ausschau gehalten. Bedauerlicherweise war er weg. Schließlich war ihr nichts anderes übrig geblieben, als ins letzte Taxi zu steigen und sich ihre schwarze Hornbrille aufzusetzen, von der Alice meinte, dass sie zehn Nummern zu groß für ihr schmales Gesicht war. Aber mit Verlaub: Alice hatte keine Ahnung von der Aufgabe eines Brillengestelles. Damit signalisierte man seiner Umgebung, wer man zu sein glaubte. Ivy wäre gerne die Griechin Nana Mouskouri gewesen, wofür es keinen bestimmten Grund gab. Wenn Ivy jetzt darüber nachdachte, musste sie sich eingestehen, dass Nana Mouskouri absolut nichts für sie verkörperte. Früher, in den Siebzigern, hatten sie diesen einen Song in der Reithalle, die als langer hellgrüner Riegel am Ortsausgang lag, hoch und runter gespielt. »Ich will heim zu dir, Blue Bayou«. Das war’s aber auch schon. Vermutlich hatte Alice recht: Ivy musste sich die Sache mit dem klobigen Brillengestell noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Für solche geschmacklichen Fragen wäre es eben gut gewesen, einen Partner zu haben – Desmond. Würde er jetzt neben ihr im Taxi sitzen, würde sie fragen: »Liebling, was hältst du eigentlich von meiner Hornbrille?« Und

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