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Leichte Turbulenzen - Roman

Leichte Turbulenzen - Roman

Titel: Leichte Turbulenzen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Frau direkt und ohne zu zwinkern in die dunkelbraunen Augen sah. »Ich schwöre es dir. Ich verheimliche dir nichts.«
    Ivy ging hinüber ins Badezimmer und drehte die Heizung hoch. Bis es in ihrer Wohnung einigermaßen warm geworden war, setzte sie sich in ihrem Wollmantel neben die Reisetasche auf den federnden Sessel und starrte ins Halbdunkel, hinüber zum Nachtschränkchen, auf dem ein leeres Wasserglas und eine dänische Leselampe aus den Fünfzigern stand. In der Wohnung unter ihr war es jetzt still. Vermutlich hingen Eve und Frank erschöpft auf ihrem mit Lamafellen bedeckten Bett herum, umgeben von Souvenirs aus aller Welt, und gaben sich alle Mühe, die Augen wenigstens für die nächste halbe Stunde offen zu halten, um sich ihre Lieblingsserie UFO UK : New Evidence auf NG-Channel anzusehen. Manchmal kam Frank hoch und fragte: »Willst du nicht zu uns runterkommen, Ivy-Pivy?«
    Bisher war sie nur ein einziges Mal der Einladung gefolgt und hatte sich mit ihm und Eve UFO UK angesehen, das einen mit Hilfe von nervenaufreibenden Sound- und Spezialeffekten glauben machen wollte, dass zweifelsfrei außerirdisches Leben im All existierte, und dazu Toast mit Baked Beans und Spaghetti aus der Dose gegessen.
    Ivy strampelte sich die Sandalen von den kalten Füßen und beschloss, sie erst wieder im nächsten Sommer anzuziehen. Vermutlich waren es die Sandalen gewesen, die Desmond aus dem Flieger getrieben hatten. Nicht seine unumwundene Frage war ihm peinlich gewesen, sondern die plötzliche Einsicht, dass er mit einer Frau flirtete, die im Herbst Riemchensandalen trug. Ivy nahm sich vor, wieder mehr auf sich zu achten. Ihre Arme lagen auf den fadenscheinigen Lehnen. Hier saß sie nun. Ivy Bachmann. Anfang, nun ja, fast Mitte dreißig. Was würde sie als Zuschauerin über sich denken, würde sie eine BBC -Fernsehdokumentation über sich ansehen? Würde sie sich beim Anblick ihres aktuellen Lebens als einzigartig, aufsehenerregend oder anbetungswürdig empfinden? Ivy in ihrer Wohnung auf dem Sessel. Ivy mit Schlafbrille in ihrem Bett. Ivy in der überfüllten Underground. Ivy im Atelier. Ivy beim Zeichnen. Ivy beim Modellieren. Ivy beim Haarewaschen. Ivy gähnend mit Alice im Sun in Splendour. Ivy am Telefon mit Nathalie.
    Hätte es so eine Fernsehdokumentation über Ivy gegeben – so, wie es gut recherchierte Fernsehdokumentationen über Prinzessin Diana oder Jackie Kennedy oder Maria Callas gab –, hätte Willem als Talking Head mit sonorer Stimme und bedeutungsschwangerem Gesichtsausdruck in die Kamera erklärt: »Nun ja. Ivy und ich haben zusammen schon so einiges durchgemacht. Seitdem ich sie kenne, arbeitet sie ausgesprochen viel, überaus ambitioniert, leider hat sie überhaupt kein Interesse am Angelsport, was wirklich schade ist, da ich sehr gerne angle.« Und ab da hätte Willem wahrscheinlich nur noch über sich geredet. Vielleicht hätte er noch gesagt: »Was ich wirklich von ganzem Herzen bedaure, ist, dass Ivy nur so selten mit mir zum Lunch in The Globe geht. Früher haben wir das viel öfter gemacht. Schade auch, dass sie sich einfach nicht in mich verlieben will, für mich spräche nämlich nichts dagegen. Damals, als wir noch zusammen in unserer Künstler- WG gelebt haben, haben wir ja mal eine Nacht miteinander verbracht. Ich würde sagen, dass es ihr zu hundert Prozent gefallen hat. Sie war unglaublich leidenschaftlich. Bis heute ist mir nicht ganz klar, warum sie sich anschließend so von mir abgewandt hat. Irgendwann, wenn die Stimmung passend ist, werde ich sie danach fragen, was damals der Grund dafür war. Vielleicht haben wir ja noch eine Chance, verstehen Sie? Aber ich glaube, die Tragik besteht ganz einfach darin, dass Ivys Funke restlos erloschen ist.« Er hätte sich seine rotblonden Haare nach hinten gestrichen und sein verheißungsvolles Lächeln aufgesetzt, das Ivy so an ihm hasste. Dazu hätten seine hellblonden Wimpern gezittert. Womöglich hätte er noch gesagt: »Ich wünsche mir die alte Ivy zurück. Früher war sie richtig auf Zack. Nichts konnte sie stoppen. Egal, welchen Raum sie betrat, die Leute waren platt. Peng! Die Sonne geht auf! Mann, ihr hättet sie erleben sollen! Wie ungezwungen die auf Partys abgegangen ist, bevor sie diesen Loser Javis getroffen hat! Sie war ein echter Feger, selbstbewusst, selbstbestimmt, witzig, kokett. Ein Traum. Aber dieser F***** Javis hat sie kleingekriegt. Danach war ja auch erst mal mit unserer Freundschaft Schluss. Es ist schockierend,

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