Leichte Turbulenzen - Roman
interessierte.
Seitdem sie verheiratet waren, stand Peer nämlich kaum noch mit seinen Freunden in Kontakt. Nathalie hatte ihn definitiv nicht dazu gedrängt. Zugegeben, sie hatte es nicht leiden können, wenn Peer nach Feierabend noch zum Karatetraining ging.
»Na, weil«, Nathalie hob hilflos die Hände und versuchte sich mit der Sorge um ihre kleine Schwester abzulenken, »weil Ivy eben so ein Typ Frau ist, den Männer gerne stalken.«
»So ein Quatsch.« Peer grinste noch immer, so, als versuchte er etwas zu verbergen. Dabei zupfte er nervös mit den Fingern an der Armlehnenkante herum. Sein Fuß wippte auch verdächtig.
»Sag mal, versuchst du, etwas zu verbergen?« Nathalies Augen waren zu schmalen Schlitzen verengt.
»Nein, wieso?« Peer lachte verlegen.
»Weil du nicht nachsiehst, von wem du eine SMS bekommen hast. Stattdessen aber einen knallroten Kopf bekommen hast.« Nathalie klang ziemlich aufgebracht.
Peer wusste, was diese Schärfe zu bedeuten hatte. Dass die Stimmung auf Messers Schneide stand und Potenzial hatte, komplett zu eskalieren. In dem Fall würde seine Aufgabe darin bestehen, dafür zu sorgen, dass Nathalie im vorderen Bereich der Dachgeschosswohnung blieb, damit Lucy nichts von ihrem Wutrausch mitbekam, der durchaus damit enden konnte, dass Gegenstände herumflogen. Warum geriet er eigentlich verlässlich an Frauen, die diese gewisse Schärfe in der Stimme hatten? Seine Mutter hatte auch schon diese Schärfe in der Stimme gehabt, ebenso seine Exfreundin Jenny, Malerin dekorativer Gemälde im barocken Stil. Lange war er nicht mit ihr zusammen gewesen, höchstens vier Jahre. Gemeinsam hatten sie ein Loft bewohnt, in dem Jenny tagsüber an ihren riesigen Gemälden gearbeitet hatte. Was die wahre Länge ihrer Beziehung anbelangte, hatte Peer Nathalie nicht ganz die Wahrheit gesagt. Von einem halben Jahr sporadischer Treffen war die Rede gewesen – was für ihn keinen so großen Unterschied machte. Schließlich waren Jenny und er sich auf selbstverständliche Art und Weise bis zum Schluss fremd geblieben. Im Übrigen wusste Nathalie sowieso nicht alles über Peer, was definitiv nicht daran lag, dass er etwas Verbotenes tat oder seine Frau betrog. Das hätte er nie getan. Schließlich wollte er sich selbst jeden Tag aufs Neue im Spiegel ansehen können. Seine Frau reagierte eben auf bestimmte Themen extrem nervös oder wütend oder hysterisch, weswegen Peer es für sinnvoller hielt, manche Angelegenheiten etwas zu verschleifen, wie er und seine Kollegen das im Büro nannten. Peer verschliff gerne ein paar Details, die einerseits unwichtig waren, sich andererseits aber hervorragend dazu eigneten, das eheliche Gleichgewicht nachhaltig zu stören. Nathalie projizierte in jede noch so unbedeutende Geschichte furchtbar viel hinein. Genau wie jetzt in diese eingegangene SMS , die garantiert von Jenny kam. Aus unerfindlichen Gründen hatte sie ihm mit ihren letzten beiden Textnachrichten seltsam beunruhigende Botschaften geschickt. »Ich hab deine Stimme vermisst all die Zeit.« Und: »Ehrlich, Peer. Das war ein Fehler, uns aufzugeben. Du weißt es, ich weiß es. Wann erfährt es deine Frau?«
Davon musste Nathalie wirklich nichts wissen.
Waren Jennys Gefühlswallungen ernst zu nehmen?
Oder erlaubte sie sich einen makabren Scherz?
Was stand in dieser neu eingegangenen Nachricht? Peers Hände wurden feucht. Sein Herz pochte. Noch eine Provokation? Sollte er sich mit Jenny treffen, um ihr unmissverständlich klarzumachen, dass sie ihn in Ruhe lassen sollte? Womöglich stachelte er sie auf diese Weise nur noch mehr an. Warum flippte sie erst sechs Jahre nach der Trennung aus? Weil er sie neulich aus dem Büro, aus rein nostalgischen Gründen, zum Geburtstag angerufen und sich mit ihr an lustige Begebenheiten aus der gemeinsamen Vergangenheit erinnert hatte? War es vernünftiger, sich eine Geheimnummer zuzulegen? Doch dann würde Nathalie zu Recht fragen, was das wieder sollte. Er war ein Gefangener der Umstände. Er würde Jenny treffen. Er würde ihr ins Gewissen reden. Er würde sie dazu bringen, dass sie von ihm und seiner Familie abließ. Er würde ihr nachher, wenn Nathalie sich die Zähne putzte, heimlich eine SMS schreiben: »Lass das bitte bleiben.«
Seine Frau stand nun direkt vor ihm, die Fäuste in die Seiten gestemmt. »Ich hab dich etwas gefragt!« Ihre Stimme überschlug sich fast. »Ob du mir etwas verheimlichst.«
»Nein.« Peer schüttelte langsam den Kopf, wobei er seiner
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