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Leichte Turbulenzen - Roman

Leichte Turbulenzen - Roman

Titel: Leichte Turbulenzen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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wusste gar nicht, dass ihre Frau schreibt«, sagte Ivy mit Blick auf die Wanduhr. Sie musste dringend los. Ihr Chef rechnete jede Sekunde mit ihr. Sie wollte nur ein kleines Mitbringsel für Fortier. Und einen Ratgeber gegen Flugangst; wie ihr gerade bewusst wurde.
    Wood stellte die Bücher zurück ins Regal. »Tut sie auch nicht. Dafür hat sie es mit mir altem Knochen fünfundvierzig Jahre ausgehalten. Das langt für einen dicken Schinken.«
    Die wackeligen Holzregale reichten bis unter die Decke, es roch staubig und nach ranzigem Papier. Unter Ivys Füßen knarrten die ausgetretenen Dielen. Sie grinste Wood an. »Den Roman würde ich gerne lesen.«
    Der Buchhändler machte mit der Hand eine wegwerfende Geste. »Ach, lass den alten Wood reden. Ich fantasiere nur so ein bisschen herum. Edith hat genug mit ihrem Garten zu tun. Außerdem hätte sie Sorge, dass es kein Bestseller wird. Sie ist so furchtbar ehrgeizig. Wenn sie erst einmal anfängt zu backen, kann sie nicht wieder aufhören. Einmal hat sie an einem Tag sechzig Muffins gebacken und das nur, weil unser Enkelkind zu Besuch kam. Sie ist nicht zu stoppen. Und hinterher beklagt sie sich, dass niemand ihre Arbeit würdigt. – Regnet ganz schön draußen. Was?«
    Ivy lächelte. »Ja, als würde es nie wieder aufhören. Ich hoffe, morgen ist das Wetter besser. Ich muss nämlich nach Berlin fliegen und da wäre es mir lieb, wenn gute Sicht herrscht.«
    »Wieso? Müssen Sie die Maschine selber fliegen?«
    »Nein?«
    Wood stellte das letzte Buch direkt neben Ivys Kopf ins Regal zurück. »Was machen Sie sich dann solche Gedanken?«
    Neben dem schmalen Durchgang, der in den vorderen Raum führte, stand ein leerer Hundekorb, in dem eine zerkaute Flugente aus Gummi lag. Der dazugehörige Hund war nirgendwo auszumachen. Für gewöhnlich döste der alte Basset mit der Latexente zwischen den Vorderpfoten darin vor sich hin. Ivy blickte hinunter zum Korb, der seltsam verlassen da stand. Ja, was machte sie sich eigentlich für Gedanken um gute Sicht? So lange sie klar sah, war schon einmal viel gewonnen. Nur: woran merkte man, dass man klar sah und nicht blindlings in die falsche Richtung galoppierte, in Flugzeuge stieg, die man besser nicht besteigen sollte oder kryptische E-Mails für plumpe Absagen hielt? Woher wusste man, dass man all das, was um einen herum passierte, richtig interpretierte? Das würde sie Alice beim nächsten Treffen fragen. Der Buchhändler nahm die randlose Brille ab und rieb sich über die müden Augen. »Tja, den werde ich morgen mal zum Sperrmüll schaffen müssen.«
    Ivy hob die Augenbrauen. Obwohl sie längst verstanden hatte, fragte sie: »Wie bitte?«
    Wood setzte sich wieder die Brille auf. Mit der Hand wies er auf den leeren Schlafplatz. »Na, Puppys Korb. Den braucht er ja wohl jetzt nicht mehr.«
    Um Fassung bemüht, sog er die Luft durch die Zähne ein. »Am letzten Mittwoch war’s für ihn soweit. War ja abzusehen, mit seinen vierzehn Jahren. Na ja, weh tut’s trotzdem. Besonders für meine Frau ist es schwer. Puppy war ein bisschen unser Kinderersatz, seitdem unsere beiden aus dem Haus waren. Plötzlich war es so still. Niemand lief mehr die Treppen hinauf und hinunter oder rief nach uns. Und nun ist es wieder so still. Kein Bellen. Die Tiere, Menschen und Dinge kommen und gehen, und man kann nichts dagegen tun; dachten Edith und ich jedenfalls. Aber dann hat meine Frau neulich im Fernsehen einen Bericht gesehen, über Leute, die ihre Haustiere haben ausstopfen lassen.«
    In Ivys Regenjacke fiepte das Handy. Vermutlich war es Willem, der wissen wollte, ob er seinen Schlüssel bei ihr vergessen hatte. Sie konnte jetzt unmöglich das Telefon hervorziehen. Sie wusste ja, wie verstörend es war, sein Tier zu verlieren. Eben war es noch da, schon war es weg. Das hatte sie bereits damals bei ihrem Shetlandpony nicht begriffen. »Und das lassen Leute tatsächlich machen?«
    »Ja.« Wood schien das nicht allzu sehr zu irritieren. »Die Leute stellen sich ihre Tiere einfach ins Wohnzimmer, so, als seien sie immer noch da. Sie reden mit ihnen, streicheln sie und bürsten ihnen das Fell. Wenn sie Geburtstag haben, bekommen sie einen Hundeknochen oder ein Wollknäul. Im Grunde genommen läuft das Leben wie gehabt weiter.«
    Ivy nickte, bemüht, sich nicht ihre Verstörung anmerken zu lassen. Das war Verdrängung der Realität auf höchstem Niveau.
    Vom Klingeln der Messingglöckchen abgelenkt, sah Wood an Ivy vorbei, Richtung Eingang, wo ein

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