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Leichte Turbulenzen - Roman

Leichte Turbulenzen - Roman

Titel: Leichte Turbulenzen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Abendessen auf mich, und wenn ich zu spät komme, na, Sie wissen schon. Das haben die Frauen nicht gerne, wenn man sie warten lässt.«
    Wood lächelte und nahm seine Brille ab. Seine Augen sahen unendlich müde aus. Ivy fuhr mit den Fingerspitzen über die goldenen Buchstaben auf dem breiten Buchrücken. »Nein, nein. Vielleicht haben Sie aber statt dessen einen Ratgeber für mich …«
    »Einen Ratgeber?«
    »Ja, einen Ratgeber. Einen gegen Flugangst vielleicht.«
    Wood hob seinen Zeigefinger, und seine Miene erhellte sich augenblicklich. »Da hab ich was.« Er drehte sich um und verschwand zurück in den vorderen Teil des verwinkelten Ladens. Dort zog er aus einem Hängeregal, das unter der Treppe an die Wand geschraubt war, ein Taschenbuch hervor und legte es neben die alte Registrierkasse. »Das Ding kann ich nur empfehlen, nach der Lektüre ist meine Frau sogar mit mir nach Sardinien geflogen.«
    Ivy betrachtete das Taschenbuch, auf dessen Cover eine gepflegte Frauenhand abgebildet war, von der ein Jumbojet startete. Darüber stand: Sofort frei von Flugangst.
    »Das nehme ich.«
    »Eine kluge Wahl.«
    Wood kassierte das Geld ab und steckte das Buch in eine braune Papiertüte. »Na dann: guten Flug!«
    »Vielen Dank! Drücken Sie mir die Daumen, dass ich nicht abstürze.« Ivy ging zur Tür, in deren Schloss bereits der dicke Schlüsselbund steckte.
    Wood kam schnell hinter seinem Ladentisch hervor und eilte ihr nach. »Sie werden nicht abstürzen. Glauben Sie mir. Edith und ich haben schon die schlimmsten Turbulenzen überlebt.«
    Er griff an ihr vorbei und schloss die Tür auf. Die Glocken klingelten, als er Ivy hinaus in den strömenden Regen entließ. „Kommen Sie halbwegs trocken nach Hause!«
    »Danke! Und viele Grüße an Ihre Frau.«
    »Danke, ich werd’s ihr ausrichten.«
    Ivy rannte durch den niederrauschenden Regen über den nassglänzenden Hof, in dessen unzähligen Pfützen sich das gelbliche Licht der Laternen spiegelte, während hinter ihr noch einmal die kleinen Messingglocken ertönten. Von den Glyzinien, die sich feucht und tropfend um ihren Hauseingang rankten, brach sie drei kleine blühende Stängel ab. Ein bisschen Leben würde Fortier in seiner neuen Wohnung nicht schaden.

13.
    »Verdammt, was mache ich hier?« Hinter Ivy fuhr das Taxi wieder an, direkt durch die tiefe, glitzernde Pfütze, die sich am Straßenrand wie flüssiger Teer im Rinnstein angesammelt hatte. Das kalte Wasser spritzte empor und sickerte in eisigen Tropfen in den Saum ihres Sommerkleides. Die Schäfte der gelben Gummistiefel schlackerten lose um ihre nackten Waden, als sie über den schwarz glänzenden Asphalt direkt auf Eingang 3 zumarschierte. Je näher sie dem runden Gebäude mit der angestrahlten Kupferkuppel und dem rot leuchtenden, geschwungenen Schriftzug kam, desto stärker fing ihr Herz an, von innen gegen ihren Brustkorb zu schlagen, so als wollte es durch die Rippen brechen und alleine, ohne Ivy, auf der Straße weiterhüpfen. Momentan gab es diverse Gründe für diesen ungewohnt heftigen inneren Aufruhr. Einige Minuten bevor sie aus dem Taxi ausgestiegen war, hatte sich Ivy mit Javis für den späteren Abend verabredet. Sie würde zu ihm in die Wohnung nach Brompton fahren und sich holen, was er vor Jahren unrechtmäßig mitgenommen hatte. Am Telefon hatte er mit sonorer Stimme erklärt: »Chuck, es tut mir leid. Ich hätte nicht gedacht, dass dir das Plastikding fehlt. Ansonsten hätte ich dir die Dose längst zurückgegeben. Ich hab sie damals wohl aus Versehen mit eingepackt.«
    »Sind noch alle Figuren vorhanden?«
    »Ich denke schon.«
    »Gut.«
    Zuvor hatte sie den überraschten Fortier nach exakt sechzig Minuten allein in seiner Junggesellenwohnung zurückgelassen. Mit zwei flackernden Kerzen, einem opulenten Blumenstrauß, zwei leer gegessenen Spaghettitellern, einer halb ausgetrunkenen Chardonnayflasche, zwei unangetasteten Portionen Crème brûlée und enttäuschtem Gesichtsausdruck. »Sind Sie immer so schwer zu fassen?«
    Nun klimperte Willems Schlüssel in ihrer Hand. Der Ton des Handys war abgeschaltet. Das, was sie vorhatte, grenzte an Wahnsinn. Ivy hatte in ihrem ganzen Leben noch nie etwas Verbotenes getan. Nicht einmal im heimischen Handarbeitslädchen hatte sie die bunt glitzernden Strasssteinchen geklaut, als diese Anfang der Achtziger extrem populär gewesen waren und sie nicht genügend Taschengeld gehabt hatte, um sich mehr als drei davon zu kaufen. Es wäre ein Kinderspiel

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