Leichte Turbulenzen - Roman
Kunde den Laden betrat. Augenblicklich senkte der Buchhändler seine Stimme ab: »Bis wir eine Entscheidung getroffen haben, was wir mit Puppy machen, müssen wir ihn allerdings noch in einem Müllsack in der Tiefkühltruhe aufbewahren. Es ist uns nicht leicht gefallen, ihn da in die Kälte zu legen. Das kann ich ihnen sagen. Aber etwas anderes bleibt uns leider nicht übrig, wenn wir ihn präparieren lassen wollen.«
Ivy schaute so verstehend wie nur möglich, während Wood hilflos blinzelte, um die Tränen daran zu hindern, sich in seinen Augen auszubreiten. Es gelang ihm nur schwerlich, weswegen er erneut die Brille abnahm und sich mit Zeigefinger und Daumen über die Augen wischte.
Ivy räusperte sich. »Das tut mir leid. Wirklich. Puppy hatte bestimmt ein erfülltes Hundeleben. Und wenn Sie ihn ausstopfen lassen …«
Weiter redete sie nicht. Ihr lief ein eiskalter Schauer über den Rücken.
»Ja.« Wood beugte sich zum verlassenen Korb hinunter und nahm die schlaffe Flugente hoch, die ein müdes Schnattern von sich gab. »Dann kann er sich noch ein bisschen mit uns die Zeit vertreiben. Es ist ja schier unbegreiflich, wenn so ein Wesen, das einen all die Jahre treu begleitet hat, mit einem Mal nicht mehr da ist. So wie es aussieht, werden wir ihn tiefgekühlt an die Präparatoren verschicken müssen. Meine Frau hat ja keinen Führerschein, und ich kann tagsüber nicht einfach den Laden schließen.«
Ivy nickte anteilnehmend, ohne zu erkennen zu geben, dass ihr die Idee, den eigenen Hund auszustopfen, mehr als obskur vorkam. Außerdem musste sie sich wirklich langsam auf den Weg machen. Doch bevor sie Wood nach dem Antiflugangst-Ratgeber und einem kleinen Mitbringsel für Fortier fragen konnte, war er schon mit der Flugente in den vorderen Teil des Ladens verschwunden, um den Kunden schnellstmöglich abzufertigen, hinter ihm die Tür abzuschließen und zu Ivy zurück zu kehren.
»Edith und ich«, sagte Wood, »wir stehen morgens auf und rufen nach ihm. Puppy! Fresschen! Heute Morgen hat meine Frau ihm sogar in der Küche Futter in den Napf gefüllt. Das war ein Schock, als sie begriffen hat, dass unser Puppy das gar nicht mehr aufessen wird.«
Ivy sah Woods Frau, die sie gar nicht kannte, im hellblauen Morgenmantel und in Hausschlappen vor sich, wie sie Hundefutter aus der Dose in einen alten Fressnapf füllte, ohne, dass ein Hund angetrottet kam. Ganz offenbar war dies so ein Moment, in dem man etwas Tröstliches sagen sollte. »Aber er hat es bestimmt aus dem Hundehimmel gesehen und sich gefreut.«
Oder aus der Kühltruhe.
Wood nickte freundlich. »Ja, bestimmt. Jetzt müssen meine Frau und ich die Fotoalben durchblättern, nach besonders gelungenen Bildern von Puppy, an denen sich die Präparatoren orientieren können.«
Wood ließ die schnatternde Ente zurück in den Korb fallen und musterte Ivy, die mit den Schultern zuckte und eine wegwerfende Bewegung machte. »Na ja, vielleicht ist ausstopfen gar keine so schlechte Idee. Im Grunde genommen mache ich ja etwas Ähnliches, wenn ich Wachsfiguren herstelle. Da orientiere ich mich auch an einer Menge Fotografien, um die Figuren so naturgetreu wie möglich nachzugestalten. Wenn man es so betrachtet, habe ich Vincent van Gogh auch gerade ausgestopft.«
Wood stieß die Luft aus und wand sich ein wenig. Offenbar war ihm das Gespräch unangenehm. Schließlich gab er zu: »Meiner Frau kann ich das ja nicht sagen, aber mich gruselt die Vorstellung etwas, unseren zusammengenähten Puppy im Haus zu haben. Vermutlich würde ich das Gefühl nicht loswerden, dass er noch irgendwie da in seinem Körper steckt und uns ununterbrochen beobachtet, wie wir ohne ihn weiterleben. Wissen Sie, was ich meine? Als würde er sich seinen Teil denken.«
Ivy atmete aus. »Ja, dieses Gefühl habe ich auch manchmal bei den Wachsfiguren, dass sie sich ihren Teil denken, sobald man ihnen den Rücken zukehrt. Um ehrlich zu sein, passiert es tatsächlich manchmal, dass ich anfange, mich mit ihnen zu unterhalten; um herauszubekommen, was in ihnen vorgeht. Natürlich ist da auch viel Interpretation dabei.«
Woods Lippen formten ein O und blieben so stehen. Dazu nickte er vor sich hin, bis schließlich das Gesagte bei ihm voll und ganz angekommen war. „Ich hätte nicht geglaubt, dass es Ihnen auch so geht, weil sie doch die Figuren herstellen. Ich dachte, sie würden da ganz professionell dran gehen. Stellen Sie sich nur vor, die Tierpräparatoren fürchten sich vor den
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