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Leichte Turbulenzen - Roman

Leichte Turbulenzen - Roman

Titel: Leichte Turbulenzen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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ausgestopften Tieren, die sie bei sich in der Werkstatt herumstehen haben. Wie in Friedhof der Kuscheltiere . Den Film mussten Edith und ich uns damals mit unseren Kindern im Kino ansehen. Reagieren Sie auch so heftig auf Horrorfilme?«
    »Ich weiß nicht.« Ivy kratzte sich verlegen hinter dem Ohr.
    Wood fuhr aufgeregt fort. »Edith sagt ja immer, ich hätte zu viel Fantasie. Aber als ich letztes Jahr mit meinem Enkel da bei Ihnen, bei Madame Tussauds, war, hab ich mir die Figuren einmal ganz genau angesehen. Ich bin ganz dicht herangegangen und habe ihnen direkt in die Augen gesehen, und es kam mir vor, als würden sie mich genauso mustern, mich ebenfalls durchleuchten und analysieren. Diese Augen, die Gesichter, all das wirkt so verschlagen, als sei dahinter ein geheimes Leben verborgen. Und ich dachte die ganze Zeit: »Du kennst mich gar nicht!« Als ich vor Jack Nicholson stand, bin ich regelrecht wütend geworden. Meine Frau fand mich albern und hat sich von mir mit Humphrey Bogart und Marlon Brando fotografieren lassen. Und was soll ich ihnen sagen? Im Stillen habe ich vor mich hin geflüstert: »Fass bloß nicht meine Frau an, Jüngelchen!« Verstehen Sie? Ich war eifersüchtig auf die Wachsfiguren von Leuten, die längst unter der Erde liegen!«
    »Absolut.« Ivy nickte. Darüber hatte sie sich bisher noch keine Gedanken gemacht, dass sie durch das naturgetreue Nachformen tote Menschen nicht gehen ließ. Sollte man sie nicht einfach loslassen? So, wie man vielleicht Puppy besser in Frieden lassen sollte. Oder überhaupt die Vergangenheit? Was brachte es denn, sich das, was nicht mehr da war, immer und immer wieder zu vergegenwärtigen, ohne es jemals verändern zu können? Es war, wie es war: vorbei. Sie räusperte sich, um Woods Aufmerksamkeit zurückzubekommen, der abwesend auf Puppys leeren Korb starrte.
    »Es tut mir leid, ich muss leider dringend los und hätte nur gerne ein kleines Geschenk für meinen Chef. Haben Sie da etwas?«
    Sie riss ihn regelrecht aus seinen Gedanken heraus. »Bitte?«
    »Irgendein Buch für einen Herrn Anfang vierzig.«
    »Hm. Lass mal sehen. Aus dem Bereich Unterhaltung? Oder eher etwas Literarisches? Oder einen Bildband?«
    Ivy hob abwehrend die Hand. »Ich hab eher an etwas Kleines gedacht. Möglichst etwas Unverfängliches.«
    Wood nickte verstehend. »Ich glaube, ich habe genau das Richtige für Ihren Chef. Meine Frau ist ja ganz begeistert von diesen Büchern, die sich mit paranormalen Erscheinungen beschäftigen. Erlebnisberichte über unglaubliche, aber wahre Geschichten, bei denen selbst Skeptiker den Boden unter den Füßen verlieren.«
    Er machte ein paar schlurfende Schritte am Regal entlang und blieb dann vor einem dicken, in tannengrünes Leder eingebundenen Band stehen. Er sah über die Gläser seiner Lesebrille hinweg und tippte auf den Buchrücken, auf dem in goldener Schrift geprägt war: Irreale Phänomene und Erscheinungen aus aller Welt . »Ah! Ich wusste doch, dass das hier irgendwo stehen muss.« Er zog das schwere Buch heraus und reichte es Ivy. »Eine Rarität aus den späten Siebzigern. Ist immer noch der letzte Schrei auf ihrem Gebiet. Edith liebt es. In unserem Schlafzimmer liegt ein Exemplar davon auf ihrem Nachtschränkchen.«
    Irritiert blickte Ivy auf den Einband, auf den eine goldene Pyramide mit einem Auge geprägt war, und fuhr mit der flachen Hand darüber. »Es ist sehr schön, aber ich glaube nicht ganz das Richtige. Vielleicht würde ein ... ein Kochbuch besser passen.«
    »Ich weiß nicht.« Wood zog die Augenbrauen hoch, als ginge es darum, den Enigma-Code zu knacken. »Interessieren sich Männer denn für Kochbücher?«
    »Genau das will ich herausfinden.« Ivy grinste und schlug das schwere Buch auf, wobei der lederne Rücken bedrohlich knarzte. Die hauchdünnen Papierseiten flogen und verbreiteten einen unangenehm-modrigen Geruch. Wood hatte schon komische Ideen. Dieses Buch konnte sie unmöglich Fortier mitbringen. Hinterher interpretierte er in dieses rätselhafte Geschenk noch etwas zu ihren Ungunsten hinein. Sie hätte ihm einfach das marokkanische Kochbuch mitnehmen sollen, das noch immer eingeschweißt in ihrem Bücherregal lag.
    Wood hüstelte und zog sich seine graue, handgestrickte Jacke vor der Brust zu. »Na ja. Wie auch immer. Ich, an ihrer Stelle, hätte ihrem Chef dieses Buch mitgebracht.« Dann sah er demonstrativ auf seine Armbanduhr mit dem abgewetzten Lederarmband. »Jetzt muss ich aber auch los, Edith wartet mit dem

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