Leichtes Beben
rechte Hand unter die Nase hielt und daran roch. Und plötzlich verließ ihn alle Kraft. Auf einmal war er sich der Stille um sich bewusst. Er horchte auf ein Zeichen seiner Frau, hoffte, sie würde wieder seinen Namen rufen und ihn zurückholen zu sich.
|116| Elf
Hätte Elke nicht darauf bestanden, noch eine Zigarette im Flur zu rauchen, wären sie mit Dr. Bauer, der es vorgezogen hatte, die Treppen zu nehmen, gegangen und längst zu Hause. Stattdessen saßen sie nun in diesem Aufzug fest. Mit einem Ruck war das Ding zwischen dem zweiten und ersten Stock stehengeblieben. Selbst die Notbeleuchtung war ausgefallen.
»So mach doch was!«, herrschte Elke ihn an. Daraufhin tastete er, auf der Suche nach der Schalttafel, die Wand links neben der Tür ab. Dabei berührte er aus Versehen ihre Hand, worauf sie ihn anfuhr: »Rühr mich nicht an!« Er wich zurück und schnaubte: »Ist ja gut!«, und dachte: Blöde Kuh!
Dr. Bauer hatte ihn erstaunt angesehen, als er mitten im Gespräch vom Tisch aufgesprungen war und sie unverblümt angeschrien hatte: »Mit dir ist ja nicht zu reden!«
Anschließend war es Dr. Bauer nur unter Aufbietung all seiner Autorität als Scheidungsanwalt gelungen, ihn an den Verhandlungstisch zurückzubringen. Denn was aus Bellmanns Sicht bereits feststand, noch |117| ehe sie die Verhandlungen überhaupt aufgenommen hatten, musste auch Dr. Bauer in diesem Moment klargeworden sein: dass es zwischen Elke und ihm nicht mehr das Geringste zu verhandeln gab. Die Sache war entschieden! Trotzdem hatte Dr. Bauer immer neu an ihre Vernunft appelliert, sich wie erwachsene Menschen zu benehmen, in deren Interesse es liegen müsste, aus der offensichtlich schwierigen Situation für beide Seiten das Beste zu machen.
»Wieso für beide Seiten?«, hatte Elke empört gerufen.
Und Bellmann hatte ihr ungewollt beigepflichtet und gesagt: »Ja, weshalb eigentlich für beide?«
Elke hatte ihn während des Gesprächs ein paar Mal auf die gleiche Weise angesehen, wie sie ihn all die Zeit angesehen hatte, wenn sie sich mal wieder von ihm übergangen fühlte oder er sie mit seinem unbedachten Verhalten an einer empfindlichen Stelle getroffen hatte.
Wie sehr ich dieses Gesicht satt habe!, hatte Bellmann im Stillen gedacht. Erneut machte er sich daran, die Schalttafel zu suchen. Und dieses Mal hatte er Glück. Seine Finger bekamen die Druckknöpfe zu fassen, und er drückte der Reihe nach jeden einzelnen in der Hoffnung, einer davon möge der alarmknopf sein.
»Und?«, erklang Elkes Stimme erwartungsvoll in der Dunkelheit.
»Nichts«, seufzte Bellmann.
»Und nun?« In ihrer Frage schwang ein vorwurfsvoller Unterton mit.
|118| »Weiß ich doch nicht!«, erwiderte Bellmann und ließ sich geräuschvoll nach hinten gegen die Kabinenwand fallen.
»Na toll!«, gab sie zurück, wobei sie ein zischendes Geräusch machte.
»Was machst du?« Bellmann starrte in die Schwärze, konnte aber nicht das Geringste erkennen.
»Was soll ich schon machen? Ich suche nach den Zigaretten!«
»Du willst hier drin rauchen?«, sagte Bellmann, und versuchte seine Empörung über das Vorhaben seiner Noch-Ehefrau erst gar nicht zu verbergen. Er sagte: »Wer weiß, wie lange der Sauerstoff noch reicht, und du willst hier rauchen?«
»Was willst du damit sagen?«
»Dass es eng werden kann, wenn sie uns nicht bald hier rausholen!« Bellmann atmete geräuschvoll ein und aus wie jemand, der glaubt, etwas Bedeutendes von sich gegeben zu haben.
»Das ist ja lachhaft!«, prustete sie. »Ich hab noch nie gehört, dass jemand in einem Aufzug erstickt wäre.« Wieder machte sie dieses zischende Geräusch.
»Ich schon!«, sagte er mit Nachdruck.
»Sicher wieder eine deiner Phantasiegeschichten, die du dir ausdenkst, um dich wichtig zu machen. Nein, danke. Verschon mich mit den Einzelheiten.« Während sie sprach, versuchte sie, die Stellung ihrer Beine zu ändern, und berührte ihn dabei aus Versehen am Knie.
»He, keine Annäherungsversuche!«, witzelte Bellmann.
|119| »Kann mich gerade noch beherrschen«, antwortete sie trocken und stupste ihn, wie um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, noch einmal fester.
»Schade«, wisperte Bellmann und kicherte.
»Sehr witzig. Sag lieber, was wir jetzt machen?«
»Vor allem Ruhe bewahren und Energie sparen«, antwortete Bellmann und ließ sich auf den Kabinenboden sinken.
»Na, prima! Sonst noch was?«
»Ja«, sagte Bellmann. »Wir könnten zum Beispiel versuchen, aus der Situation das Beste zu
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