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Leichtes Beben

Leichtes Beben

Titel: Leichtes Beben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henning
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kokett in den Nacken legte und dabei aufreizend grinste, an den jungen Chet Baker erinnerte, von dem Hagedorn alle Platten besaß. Doch er hatte diesen Gedanken wieder verworfen.

    Spencer drückte den Telefonhörer auf die Gabel und griff nach seinem Kalender. Beim flüchtigen Blick auf seine rechte Wade entdeckte er ihn plötzlich: einen dunkelvioletten, nahezu kreisrunden und an den Rändern bereits ins Schwarze changierenden Fleck von der Größe einer Five-Pence-Münze, eine Art blutigen Einschluss in der Haut. Und dann, weiter unten, auf Höhe des Knöchels, fand er noch einen zweiten, etwas kleineren. Spencer war sich sicher, dass die Flecken am Morgen, als er geduscht hatte, noch nicht da gewesen waren. Beim Abtrocknen der Beine hätten sie ihm auffallen müssen.
    Eine Zeitlang versuchte er sich abzulenken und nicht an die beiden Flecken zu denken, indem er aufstand, über den Teppich lief, die Fernbedienung vom Tisch nahm und sich wahllos durch die Programme zappte. Und plötzlich hatte er das dringende Bedürfnis, Esthers Nummer zu wählen, um ihre Stimme zu hören.
    »Wieso musste es bloß so weit mit uns kommen?«, |276| würde er zu ihr sagen, wenn er sie am anderen Ende auf die ihm so vertraute Weise atmen hören würde.
    Doch er rief Esther nicht an. Und er ging auch nicht, wie er es Wilhelm gesagt hatte, am nächsten Morgen zu Ronda. Stattdessen nahm er, nachdem er die halbe Nacht im Dunkeln wachgelegen und immer wieder das Licht angemacht hatte, um zu inspizieren, ob die Flecken sich irgendwie verändert hatten, am nächsten Morgen in Kloten die Elf-Uhr-Maschine nach London.
    Als die Stewardess kurz nach dem Start Zeitungen verteilte, schlug Spencer den Sportteil auf und studierte die Fußballergebnisse vom Vortag. Wilhelms Mannschaft hatte kurz vor Schluss noch den Ausgleich erzielt.

|277| Sechsundzwanzig
    Küppers spürte eine Hand auf seiner Schulter, dann hörte er eine Stimme hinter sich sagen: »Bist du’s, oder bist du’s nicht?«
    Irritiert wandte er sich um und blickte in das sonnengebräunte, faltige Gesicht eines schätzungsweise fünfzigjährigen Mannes, der ihn erwartungsvoll ansah. Seine Augäpfel strahlten wie von innen beleuchtete, im Sand liegende blaue Murmeln.
    Küppers trat von einem Bein auf das andere, denn er hatte nicht die leiseste Ahnung, wer da vor ihm stand und ihn so ansah, als müsste er ihn gut kennen.
    »Mensch, Küppi«, rief der andere und tat in dem engen Gang einen Schritt zur Seite, um jemanden, der eine prallgefüllte Einkaufstüte trug, an sich vorbeizulassen. »Jetzt mach aber mal einen Punkt! Erkennst du mich wirklich nicht?«
    Sie standen einander im Parterre des Kaufhauses gegenüber, in dem Küppers seit mehr als zehn Jahren als Chefdekorateur arbeitete. Küppers trug seinen Arbeitskittel und war auf dem Weg in sein Büro im vierten Stock gewesen, um seine Schaufensterpläne zu |278| holen. Doch nun stand er diesem mit einem schwarzen T-Shirt und hellen Leinenanzug bekleideten Unbekannten gegenüber, der ihn erwartungsvoll ansah. Der Fremde musste ihn von der Schule her kennen. Woher sonst wusste er seinen alten Spitznamen, den Küppers seit seinem Schulabschluss nicht mehr gehört hatte.
    Er sah sich sein Gegenüber genauer an. Dann wurde ihm klar, wer da vor ihm stand: Dieter Petzold. Doch der hatte sich über die Jahre so stark verändert, dass nur noch das vorspringende Kinn und die blauen Augen an den Schüler von damals erinnerten. Sein einst dichtes, schulterlanges Haar war kurz geschnitten und hatte sich so stark gelichtet, dass die Kopfhaut hindurchschimmerte. Und über dem Bund seiner Hose wölbte sich ein kräftiger Speckring.
    »Petzold? Bist du das, Dieter?«, sagte er ungläubig.
    »Mensch, das hat aber gedauert, Küppi!«, sagte Petzold und streckte ihm lachend die Hand hin. Unwillig griff Küppers danach, schüttelte sie kurz und ließ sie sofort wieder los. Denn er spürte wieder diesen alten Fluchtinstinkt in sich erwachen; am liebsten wäre er auf der Stelle weggelaufen und im Strom der Kunden untergetaucht. Sehnsüchtig schielte er in Richtung Rolltreppe, die gerade eine Handvoll lachender Kinder in den ersten Stock hinaufbeförderte.
    »Das ist ja eine Überraschung!«, sagte Küppers, weil ihm nichts Besseres einfiel, und lächelte gequält. Im selben Moment erblickte er Kapaun, den Hausdetektiv, der sich zwischen den Drehständern, auf denen die preisreduzierten Freizeithemden hingen, herumtrieb |279| und dezent Ausschau hielt. Am

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