Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman
genau wusste, wer gemeint war. Diesen Tonfall hatte Roz allein für ihre ehemalige Freundin reserviert.
»Ja, sie .«
»Ich habe es Frankie erzählt«, antwortete Ven und öffnete eine Tüte mit Cadbury-Eclairs.
»War sie sauer, dass sie nicht dabei ist?«
»Ich mache es wieder gut.«
»Wie? Willst du ihr eine Flasche Wein von unterwegs mitbringen?« Roz lachte. »Egal, ich weiß selbst nicht, warum ich nach ihr frage.«
»Lass es gut sein, Roz«, sagte Ven ruhig, aber streng.
Roz schwieg. Über Frankie herzuziehen war inzwischen eine langjährige Angewohnheit und hatte wahrlich nichts auf der Fahrt zu einer Luxuskreuzfahrt zu suchen. Schon gar nicht gegenüber Ven, die sie als Dritte mitnahm, nicht Frankie. Roz stellte sich vor, wie es für Frankie sein musste, dass sie nicht mitreisen konnte, weil Ven eine andere vorzog. Frankie würde es zweifellos besser aufnehmen, als Roz es im umgekehrten Fall getan hätte.
»Hast du sie in letzter Zeit gesehen?«, fragte sie und bemühte sich, etwas weniger negativ zu klingen.
»Vor ein paar Wochen habe ich sie besucht.«
Einen flüchtigen Moment lang ärgerte es Roz, dass Ven nach Derbyshire gefahren war und ihr nichts davon erzählt hatte. Dann fiel ihr wieder ein, dass sie selbst vor Jahren gesagt hatte, sie wolle nichts mehr von Frankie wissen. Man konnte es ihr eben nie recht machen. Trotzdem war sie auf einmal neugierig.
»Ist sie Single?«
»Ja, schon ewig.«
»Was ist aus diesem Typen geworden, wegen dem sie damals nach Derbyshire gezogen ist?«
»Typen? Ach so, ja, sie … sie haben sich kurz danach getrennt.«
Wie bitter , dachte Roz schadenfroh.
»Ist sie noch in Bakewell – wo die Torten herkommen?«
»Ja«, sagte Ven, die Roz’ Spitze ignorierte. »Sie ist in ein kleines Cottage gezogen.«
»Ich dachte, sie hat ein großes Haus!«
»Das hat sie verkauft und sich etwas Kleineres zur Miete gesucht.«
»Wieso das denn?«
»Sie wollte jederzeit verfügbares Geld haben, nachdem sie ihren Übersetzerjob verloren hatte.« Ven passte genau auf, was sie sagte.
»Ah, dann arbeitet sie im Moment gar nicht?« Roz’ Worte troffen vor Genugtuung.
»Sie arbeitet immer mal freiberuflich«, sagte Ven und aß ein Toffee. »Sie macht eine … eine Karrierepause.«
»Karrierepause?«, höhnte Roz. Tja, vom hohen Ross stürzt man tief , ergänzte sie im Geiste, erschrak allerdings selbst, wie furchtbar das klang. Was bist du bloß für ein Mensch geworden , schalt eine innere Stimme sie angewidert. Diese Stimme gefiel Roz überhaupt nicht. Sie holte eine Zeitschrift aus ihrer Handtasche, die auf einer Seite auffiel, von der ihr die Überschrift So wird Ihr Liebesleben wieder aufregender entgegenschrie. Das war Salz auf Roz’ Wunden.
Eine Viertelstunde später hatten sie an einem Rastplatz gehalten und weitere Passagiere aufgenommen, und bevor Clive den Neulingen die Sicherheitsbestimmungenheruntergebetet und seine Liebe zu Dosenerbsen gestanden hatte, war Olive bereits eingeschlafen. Wenige Minuten später schrak sie aus einem Falltraum auf, aber da sie die letzte Nacht kaum geschlafen hatte, nickte sie bald wieder ein. Roz folgte ihr wenig später, und schließlich fielen auch Ven die Augen zu.
Alle drei wachten auf, als der Bus an einer anderen Raststätte anhielt. Clive verkündete, dass sie hier eine Stunde Mittagspause machen würden, weil er gesetzlich verpflichtet war, etwas zu essen.
»Erstaunlich, was man sich alles einreden kann, wenn man nur will«, sagte Ven lachend.
»Der wird wohl kaum eingehen, wenn er mal nichts isst«, flüsterte Roz, streckte sich und gähnte. »Er könnte auf Jahre von seinen Reserven leben.«
»Also ich möchte nicht, dass er vor Hunger umkippt, solange er fährt«, sagte Olive, die sich fragte, ob er tatsächlich »gesetzlich verpflichtet« war, Essenspausen einzulegen, und eine militante Ernährungspolizei aufpasste, dass er genug Fleisch und zwölf Bissen Gemüse aß.
Die Leute stiegen aus dem Bus. Mr. B-Deck war als Erster draußen, wie Roz bemerkte, und steuerte auf das Café zu. Seine Frau folgte ihm brav mit drei Schritten Abstand.
»Gehen wir einen Kaffee trinken«, sagte Olive. »Wenn ich nicht bald Koffein kriege, falle ich ins Koma.«
Sie blickte auf ihre Uhr. Die Hardcastles dürften jetzt allmählich aufwachen. Doreen würde nach ihr schreien, weil sie zur Toilette wollte. Ein Hauch von schlechtem Gewissen meldete sich, weil David für sie einspringen müsste. Dann fiel ihr wieder ein, dass
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