Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman
Dieses Gespräch führten sie zu oft, und das ärgerte Ven.
»Oh Mann, wer hat den Preis gestiftet, Rockefeller?«, lachte Roz.
»Na hör mal, das ist ein Riesenunternehmen, und mit meinem Slogan bringe ich denen vielleicht Millionen ein«, erwiderte Ven.
Sie kamen am Bahnhof »Barnsley Interchange« an, wo schon eine Schar anderer Leute mit den gleichen Kofferanhängern wie sie warteten, also waren sie richtig. Die Anhänger waren in unterschiedlichen Farben gehalten, sortiert nach den Decks, auf denen die Kabinen sein würden.
»Ich hätte nicht gedacht, dass so viele von Barnsley aus reisen«, sagte Olive. »Anscheinend kommt die Hälfte der Passagiere aus Yorkshire.«
»Sei nicht albern«, schalt Ven sie lachend. »Auf das Schiff passen über dreitausend Leute.«
»Meint ihr, das B-Deck ist teurer als das C-Deck?«, flüsterte Roz, als ein älterer Mann in Blazer und Krawatte mit einem für das B-Deck ausgewiesenen Koffer einen E-Deck-Mann fragte: »Ist das Ihr erstes Mal auf der Mermaidia ?«
»Für uns wird es die erste Kreuzfahrt überhaupt«, antwortete der E-Deck-Mann.
»Bei uns ist das schon die dreißigste«, sagte Mr. B-Deck und plusterte sich auf. »Und die achte auf der Mermaidia , was, Irene?«
»Aufgeblasener Fatzke«, raunte Ven. »Wenn …« Sie verstummte, bevor ihr herausrutschte: Wenn Frankie hier wäre, würde sie auf den losgehen wie ein Jack Russell auf eine Ratte.
»Ich muss mal zum Klo«, sagte Olive. »Oh, übrigens, bist du sicher, dass man auf dem Schiff etwas kaufen kann? Letzte Nacht hatte ich nämlich einen Albtraum, dass ich nackt herumlaufe.«
»Olive, guck dir meine Koffer an.« Ven zeigte zu ihrem Gepäckstapel. »Ich habe viel zu viel Kram mit, da kannst du locker Sachen von mir anziehen. Das tust du ja sowieso schon, seit wir zwölf sind.«
Olive und Ven hatten schon immer die gleiche Kleidergröße gehabt. Zwar hatte Olive nie viel Geld für Kleidung gehabt, aber Ven hatte Olive immer gern Sachen ausgeliehen, seit sie Teenager waren. Sie fand ohnedies, dass die meisten Teile ihrer blonden Freundin besser standen. Grün-, Rot- und Violetttöne kamen bei Olives langem blondem Haar ganz anders zur Geltung als bei Vens kastanienbraunem.
»Danke«, sagte Olive lächelnd. »Darauf komme ich bestimmt noch zurück. Abgesehen von den Sachen, die du mir gestern Abend gekauft hast, habe ich eigentlich nur ein paar alte Lumpen. Mein Gott, ich habe gar keinen Badeanzug gekauft, oder?«
»Keine Bange, ich habe fünf mit«, beruhigte Ven sie. »Oder waren es sechs?«
»Typisch«, kicherte Roz.
»Und drei Trankinis.«
»Trankinis?« Roz prustete los. »Das klingt wie ein Cocktail für Transen! Es heißt Tankini, du Nuss.«
Auf der Toilette wünschte Olive, der Bus würde sich beeilen. Sie malte sich eine Wagenladung Hardcastles aus, die zum Busbahnhof kam und sie nach Hause zurückholte, um sie dort an die Küchenspüle zu ketten. Andererseits war es erst kurz nach acht an einem Sonntagmorgen, und das hieß für die drei »mitten in der Nacht«. Kevin dachte sicherlich, er hätte halluziniert, als er sie an der Tür sah, und war bestimmt wieder eingeschlafen, ohne zu begreifen, was sie gesagt hatte. Spatzenhirn!
»Ich wette, Manus wird dich vermissen, Roz«, sagte Ven.
»Ach, so viel wie er zu tun hat, kommt er gar nicht dazu«, erwiderte Roz achselzuckend. Ven runzelte die Stirn. Nicht zum ersten Mal wollte sie ihrer Freundin in den Hintern treten und ihr sagen, sie sollte nicht so fies zu ihrem Mann sein. Aber sie tat es nicht, denn Ven war nicht wie Frankie, die grundsätzlich kein Blatt vor den Mund nahm – von einer Ausnahme abgesehen, verstand sich.
Olive kam zurück und verschwand gleich wieder Richtung Damentoilette. »Ich weiß, dass es bloß die Nerven sind, aber ich möchte lieber sicher sein, dass ich nachher nicht muss«, erklärte sie beschämt.
»Es gibt im Bus eine Toilette«, rief Roz ihr nach und wandte sich zu Ven. »Ich hoffe, sie kann mal lockerlassen und die Reise genießen.«
»Wird sie, weil ich sie dazu zwinge «, sagte Ven. »Oooh, ist er das?« Ein protziger weißer Reisebus mit aufgemalten blauen Wellen und dem Namen Easy Rider ingroßen roten Lettern bog elegant in den Busbahnhof ein.
Panisch kam Olive zu ihnen gerannt.
»Nur die Ruhe«, sagte Ven. »Wir müssen uns nicht beeilen.« Das hätte sie lieber zu Mr. B-Deck sagen sollen, denn der eilte mit seinem schicken Rollkoffer ganz nach vorn und trieb seine schüchtern dreinblickende
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