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Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman

Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman

Titel: Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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aus und war panisch, dass ihn jemand im Haus gehört haben könnte. Ihre Sorge war unbegründet. Eher hätte das schrille Klingeln die Toten auf dem Friedhof geweckt, als dass in diesem Haus irgendwer davon wach geworden wäre. Ein schauderhafter Chor begleitete sie, als sie sich nach oben ins Bad schlich: Doreen schnarchte den Sopran im Wohnzimmer, Kevins Alt kam aus dem Gästezimmer, und den mächtigen Bariton steuerte David aus dem Schlafzimmer bei. Die drei wären auf der Stelle zu Staub zerfallen, wenn sie mal an einem Sonntagmorgen um sechs Uhr hätten aufstehen müssen. Was sie wohl sagen würden, wenn sie irgendwann nach elf aus den Betten krochen und feststellten, dass es aus der Küche nicht nach Eiern und Speck duftete. Sie würden vor Wut platzen! Schuldgefühle regten sich in Olive, doch sie nahm all ihre Willenskraft zusammen und verdrängte sie. Ihre Familie hatte diesen Warnschuss bitter nötig. Zu ihrem eigenen Besten mussten sie begreifen, dass Olive nicht ihre Haussklavin war. Für Doreen war es ungesund, immer nur zu sitzen oder zu liegen. Offensichtlich waren die heimlichen Ausflüge zum Zigarettenholen die einzige Bewegung, die sie bekam, auch wenn das an sich schon blanke Ironie war. Und Kevinwäre ein weit attraktiverer Mann, wenn er selbst seine Kleidung in Ordnung halten könnte   – hin und wieder Zähneputzen schadete sicher auch nicht. Diese Schildpatt-Patina käme bestimmt nie in Mode. Trotzdem, bedachte man, wie viele Frauen er über die Jahre abgeschleppt hatte, wusste er vielleicht etwas, das der Welt der Dentalhygienikerinnen bislang entgangen war. Und was David betraf, nun, wenn er ausnahmsweise mal das übernehmen musste, was Olive tagein, tagaus für die Familie erledigte, hatte er hinterher vielleicht ein bisschen mehr Respekt vor ihr. Ja, es war für sie alle gut, dass Olive wegfuhr. An diesen Gedanken musste sie sich klammern, vor allem, wenn sie die Schuldgefühle wieder überkamen, und das würde garantiert passieren.
    Um sieben Uhr fünfundvierzig ging sie mit ihrer Tasche in der Hand auf Zehenspitzen durch den Flur und wollte nach draußen, damit das Taxi nicht hupen müsste, als sie plötzlich Kevins Stimme hörte.
    »Wohin willst du so früh, Olive?«
    Sie drehte sich erschrocken um. Kevin stand gähnend da. Mit seiner knöchernen nackten Brust sah er aus wie ein magersüchtiges Xylophon. Er hatte eine rosa Toilettenpapierrolle in der einen Hand, die er sich von unten geholt hatte, und trug nichts als einen roten Tanga mit einer Pornostarwölbung vorn, die Olive leider nicht entging. Aha. Es waren also nicht die gelben Zähne, die die Frauen anmachten.
    Sie war drauf und dran, etwas von einer Putzstelle zu erzählen, doch an diesem Morgen ritt sie der Teufel.
    »Ich verreise«, antwortete sie. »In die Sonne. Mach’s gut, Kevin.«
    Das Taxi fuhr gerade vor, als sie hinausging. Und genau wie Roz stieg Olive ein, ohne sich noch einmal umzudrehen.
15. Kapitel
    »Ich kann nicht glauben, dass du hier bist«, begrüßte Roz sie lächelnd und umarmte Olive. Ven hatte ihr bereits erzählt, was gestern Abend Olives Sinneswandel herbeigeführt hatte. »Was für eine tolle Überraschung. Ich find’s klasse, dass du mitkommst!«
    »Das Schicksal hat in letzter Minute eingegriffen«, sagte Olive. »Das Schicksal und Ven und die verlängerten Öffnungszeiten in der Meadowhall.«
    »Was es auch war, ich bin einfach nur begeistert. Ach, Olive, wir werden einen Riesenspaß haben, wir drei.«
    »Du hast doch meinen pinken Koffer mit, oder, Ven?«, fragte Olive mit einem leisen Anflug von Panik.
    Ven mimte die Erschrockene und kreischte: »Oh mein Gott, nein! Der steht noch in der Küche!« Dann knuffte sie Olive grinsend. »Klar doch!«
    »Ach, das wird so schön«, seufzte Roz. Sie sah wieder ganz wie die Roz von früher aus, unbekümmert und strahlend, wie vor der Zeit, als Robert das Schwein ihr Leben ruiniert hatte.
    Das will ich hoffen, dachte Ven. Denn sie allein wusste, dass nicht alles so war, wie es schien.
    Die Fahrt zum Busbahnhof dauerte keine zehn Minuten, in denen die drei Frauen auf der Rückbank aufgeregt plapperten.
    »Ich bezahle die Fahrt«, sagte Olive und holte ihr Portemonnaie aus der Tasche, als der Wagen hielt.
    »Nichts da.« Ven gab ihr einen Klaps auf die Finger. »Ich habe Geld vom Veranstalter extra für den Transfer und Essen bekommen, wenn wir an der Raststätte anhalten. Also wag es ja nicht!«
    »Bist du sicher?«, fragte Roz.
    »Bin ich«, knurrte Ven.

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