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Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Titel: Leichtmatrosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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schlafen, weil ich das einerseits sowieso wollte, womit du nicht ganz unrecht hattest, und es andererseits unter uns bleiben würde. Aber das ist wirklich kein Argument dafür . Ich könnte es nicht einfach ablegen, übermorgen, wenn wir wieder an Land gehen. Ein Betrug bleibt ein Betrug, auch wenn keiner davon erfährt – es genügt, dass ich ihn begangen habe und davon weiß.«
    »Du hast ergiebig mit den polnischen Huren gepimpert«, gab Simon zu bedenken. Die nächste Kippe zischte in der Bierflasche. »Und mit Anna mindestens gekuschelt.«
    Ich seufzte. »Schlimm genug. Keine Ahnung, wie ich damit umgehen werde. Sollte sich meine Beziehung mit Cora irgendwie und wider Erwarten retten lassen, werde ich es ihr gestehen. Vielleicht nicht mit allem drum und dran. Aber …«
    »Du solltest sie anrufen«, sagte Simon und richtete sich auf. Die Ausfahrt kam in Sicht.
    »Ja, das sollte ich tun.«
    »Nein, du solltest sie jetzt anrufen. Gleich.«
    Ich sah ihn an. Nickte zu meinem eigenen Erstaunen. Stand auf, ging in meine Kabine, schaltete das Telefon ein und tippteihre Nummer mit zitternden Fingern an. Aber der Teilnehmer war nicht erreichbar.

    Wir kamen zu der kleinen Schleuse Diemitz, am Ende eines niedlichen Stücks Kanal, an dessen Ufer mehrere Reiher, einbeinig ausharrend, aufs Wasser starrten. Durch die Schleusenanordnung ging es relativ rasch, denn seit Canow, vier Kilometer zurück, waren keine weiteren Schiffe dazugekommen. Trotzdem war es kurz vor sieben, als wir einen verschlafenen Tümpel mit dem übertriebenen Namen Großer Peetschsee und ein weiteres Stück Kanal passierten, um über den Vilzsee nördlich in den Mössensee einzubiegen.
    »Mösensee!«, quakte Mark vom Steuer aus. »Feinkörnig!«
    »Mössensee«, antwortete Henner, der auf dem Vorschiff saß.
    »Spaßbremse«, gab Mark zurück.
    »Wir schaffen das nicht mehr bis zur Müritz«, sagte Simon neben mir.
    »Bestenfalls noch bis Mirow«, sagte Henner. »Das sind neun Kilometer. Da gibt es mehrere Anleger.«
    »Mirow«, sagte Simon und sah mich an. »Klingt wie der Name eines polnischen Philosophen.«
    Es dauerte noch eine knappe Stunde. Den Zotzensee kommentierte Mark wiederum fröhlich, um sofort in Richtung Kabinen abzutauchen und eine weitere Nase zu nehmen – zum siebten Mal seit Strasen, wenn ich richtig mitgezählt hatte. Dennoch übernahm er kurz vor Mirow das Steuer, weil Henner telefonieren musste – bemerkenswert häufig an diesem Tag –, Simon gleichfalls per Handy mit Karola schmachtete, und auch ich versuchte, Cora zu erreichen, obwohl ich solide Angst davor hatte, sie tatsächlich ans Telefon zu bekommen, aber die Teilnehmerin verweigerte sich derzeit der drahtlosen Kommunikation. Wir erreichten die kleine Stadt, ließen sie an Steuerbord hinter uns und entdeckten schließlich eine Steganlage.Am seewärtigen Ende eines rustikalen Holzstegs stand ein etwa siebzig Jahre alter Seebärtyp in Ringelshirt und mit Zigarrenstumpen im Mund, der uns zuerst winkte und dann stumm einwies. Die Tusse belegte einen der letzten freien Plätze direkt neben einem kleineren Kunststoffhausboot, auf dem Walter, Sofie und Finn-Lukas beim Abendbrot saßen. Sie starrten uns erst an, als wären wir Wassergeister, dann gab es ein großes Hallo, Finn-Lukas ließ seinen Löffel fallen und wechselte auf unser Boot, während die Eltern – Walter wieder im schamhaarpräsentierenden Peinlich-Outfit – nicht so recht zu wissen schienen, ob sie erfreut oder verunsichert sein sollten. Simon sprang zu ihnen hinüber und umarmte sie herzlich, was sie verblüffend distanziert über sich ergehen ließen. Der Junge plapperte derweil davon, was sie bisher alles gesehen hatten, wovon aber unterm Strich nichts auch nur entfernt so cool gewesen sei wie jener Tag an Bord unseres Schiffes.
    Noch während der Begrüßungsorgie traf ein weiteres Boot ein, das zwei Liegeplätze neben dem unseren festmachte – jenes Schwesterschiff, das ich an der Schleuse Canow gesehen hatte. Die durchweg adrette Besatzung ignorierte uns zwar energisch, aber das lautstarke »Arschlöcher!«, das Mark hören ließ, nahmen sie zur Kenntnis. Gleich nach dem Anlegen verließ die Familie das Boot, um auf Klapprädern davonzuradeln – just in dem Augenblick, als es wieder zu regnen begann. Wir verschlossen die Tusse und dackelten zum Restaurant, keine zwanzig Meter vom Liegeplatz entfernt. Der Regen endete in dem Moment, in dem wir die Tür aufstießen.

    »Der vorletzte Abend«, sagte Simon,

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