Leichtmatrosen: Roman (German Edition)
Feinripp-Unterhose.
»Wie haben wir das nur geschafft?«, fragte er mich, rein rhetorisch, dabei grinste er müde.
»Keine Ahnung. Wir müssen hier rückwärts reingerauscht sein, aber das Geschirr in den Schränken ist seltsamerweise noch heil. Und ich verstehe trotzdem nicht, warum der Pott so schief liegt.«
Wir sammelten uns am Heck und versuchten, die Dahme zu schieben. Wir hätten ebenso gut pusten oder auf den Kahn einschwatzen können. Nichts tat sich, und auch bei besserer körperlicher Konstitution hätte sich nichts getan. Das tonnenschwere Schiff lag gemütlich, mit leichter Schlagseite, im Ufersand, als wäre es an genau dieser Stelle zur Welt gekommen. Mark fläzte auf der Terrasse am Tisch, Kopf im Nacken, und schnarchte laut, seine Brille hing schief auf der Nase, dadurch fast parallel zum Horizont. Ich ging zum Steuerstand, startete den Motor und gab vorsichtig Gas. Wir hörten ein äußerst unschönes Röhren, fast ein Kreischen, also schaltete ich gleich wieder ab. Das Wasser am Heck hatte sich tiefbraun gefärbt durch den vom Propeller aufgewirbelten Sand. Das war das einzige Ergebnis meiner Bemühungen, von etwaigen Schäden abgesehen. Das Steuer ließ sich überhaupt nicht bewegen.
Ich schwamm eine Runde im flachen Wasser, was anstrengend, aber auch ein wenig erfrischend war, dann schlürften wir Gemüsebrühe aus Simons Hotelbechern, wozu wir labbriges, ungetoastetes Toastbrot mümmelten. Mark schlief nach wie vor. Henner duschte. Der Nebel lichtete sich langsam, die Sicht wurde allmählich besser, es nieselte weiterhin, aber auf dem See war noch immer nichts zu sehen – zweihundert Meter, dreihundert Meter, keine Menschenseele. Es ging aufvier Uhr nachmittags zu. Es wurde fünf, sechs, sieben. Irgendwann tauchten Konturen am Horizont auf, erste Lichter und Umrisse von Gebäuden. Wir setzten verfrüht Ankerlicht, als bestünde die realistische Chance, dass uns jemand nachts gefährlich nahe käme, tranken Kräutertee – Kräutertee! – und halfen Mark beim Duschen – eine krude Szene in der Ein-Quadratmeter-Nasszelle. Der Geduschte ging anschließend gleich wieder schlafen. Henner und ich setzten uns in den tischlosen Salon, starrten nach draußen, schlürften noch mehr Tee und suchten schweigend nach Lösungen. Mir fiel die Visitenkarte ein, die ich irgendwo haben musste. Ich holte sie aus der Kabine, schnappte mir Henners Telefon und rief Herbert Kopicz, Privatier, an.
»Hallo?«, brummte er.
»Ja, hallo.« Ich räusperte mich, meine Stimme klang, als würde ich durch ein Abflussrohr sprechen. »Hier ist Patrick. Einer der Leichtmatrosen von gestern. Vor der Schleuse Himmelpfort.«
»’n Abend, Patrick«, sagte er, als würden wir stündlich telefonieren. »Was macht die Kunst?«
»Lessing, Emilia Galotti«, antwortete ich reflexartig und war erstaunt ob der Geistesleistung. Im Frühjahr hatte ich ein Buch über Redensarten redigiert.
»Was? Emilia wer?«
»Nicht wichtig.« Ich hustete, mein Brustkorb schmerzte. »Herbert, wir haben da ein Problem. Vielleicht kannst du uns irgendwie helfen?«
Ich schilderte das Problem möglichst vorsichtig und unter Vermeidung der zugrundeliegenden Kausalkette, erzählte lediglich, dass wir den Pott im Vollrausch trockengelegt hatten. Herbert war zunächst erkennbar amüsiert, wurde dann aber schnell ernst.
»Der Kahn liegt schief?«, fragte er. Ich nickte erst und bejahte die Frage dann.
»Euer Boot hat einen flachen Rumpf. Ihr habt Wasser im Kiel. Was macht die Bilgepumpe?«
»Äh. Keine Ahnung. Was sollte sie machen?«
Er lachte rau. »Kieljauche aus der Bilge pumpen.«
»Wir haben Fäkaltanks«, erwiderte ich leise.
»Kieljauche nennt man das Wasser, das in die Bilge eingedrungen ist.« Er seufzte kurz. »Den Bereich unter euren Kajüten. Egal. Schaut ins Bordbuch und prüft dann, ob die Pumpe geht.«
Ich hielt die Hand vors Mikrofon und befahl Henner: »Bordbuch. Bilgepumpe. Sofort«. Er stand nickend auf und holte den dicken Ordner.
»Wo liegt ihr?«, fragte Herbert.
»Zierker See, Nordufer.«
»Flachwasser«, brummte er. »Unsauberer Grund. Komme ich mit meinem Boot nicht ran, außerdem ist der Außenborder zu schwach.«
»Aha.«
Herbert sagte ein paar Sekunden nichts, dann: »In Neustrelitz gibt es einen, der mir noch was schuldig ist. Der hat ein flaches Motorboot mit starker Maschine. Ich komme morgen früh. Aber das kost’ euch was. Ich verschenke einen Tag meiner kostbaren Zeit.«
Ich ersparte mir eine zynische
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