Leiden sollst du
Läden und viele Gastronomiebetriebe vereint unter dem Dach einer dieser modernen zweistöckigen Shoppingmalls und sogar eine Waldorfschule. Nirgends waren die Gegensätze größer in Köln.
„Bist du sicher, dass du mich mitnehmen willst?“ Daniel wollte ihn nicht in Schwierigkeiten bringen. Wenn Voigt das erfuhr, würde er eine disziplinarrechtliche Ermittlung gegen Tomasz einleiten.
„Versprochen ist versprochen. Außerdem kann ich mit dir am besten Theorien besprechen.“ Tom zwinkerte. „Wir suchen einen vierten Mann, einen Komplizen, der gefährlich ist, denn er mordet nicht nur, sondern hat auch noch Spaß daran.“
Zustimmend nickte Daniel. „Außerdem ist er wahrscheinlich auf den Geschmack gekommen, denn wer einmal Trophäen sammelt, für den gibt es meistens kein Zurück mehr, sondern sein Drang zu foltern und zu töten nimmt weiter zu.“
Besorgt dachte er an Benjamin. Stand er auch auf GeoGods Abschussliste? Oder waren die kranke Geocaching-Variante und seine Angriffe auf Ben und seine Familie lediglich eine perverse Form von Warnungen? Das wäre zumindest eine Erklärung, warum der Junge beharrlich schwieg.
Daniel verabschiedete sich und eilte, schon allein um keinem der Reporter, die ihn kannten, aufzufallen, nach Hause – nicht ohne sich vorher die Gesichter der Schaulustigen vor Backes’ Haus einzuprägen, weil Täter oft zum Schauplatz ihres Verbrechens zurückkehrten und die Kripo bei ihrer Arbeit beobachteten. Seine Grübeleien ließen sich nicht abstellen, wodurch er sich nur schwer auf den Verkehr und die noch immer ungewohnte Handkupplung konzentrieren konnte.
Blieb immer noch die Frage, warum Ben Julia daran hatte hindern wollen, auf der Vokü-Party Fotos zu schießen. Daniel kam zu dem Schluss, dass es sich nur um einen harmlosen Streit unter Teenagern gehandelt haben musste.
Unter Umständen hatten Benjamin, Denis und Maik etwas von dem Deal, den Schnapper, Schardt und GeoGod auf der Party ausgeheckt hatten, mitbekommen, und der Patron wollte sie zum Schweigen bringen, indem er sie und ihre Familien bedrohte. Hatte GeoGod an Julia ein Exempel statuiert und sie kaltgemacht, um die Jungs, Corinna Backes und vielleicht selbst seine Komplizen Schardt und Lenz zu warnen, dass er fähig war, bis zum Äußersten zu gehen?
Inzwischen waren die Erwachsenen tot. Würden die Kids folgen?
Er war ein Monster, keine Frage! Auch wenn er letztendlich davor zurückgeschreckt hatte, den Fötus aus Backes’ Bauch zu schneiden, so bedeutete das keinesfalls, dass er Ben, Maik und Denis nicht erledigen würde. Allerdings schien er bei den Erwachsenen nicht gezögert zu haben, sie abzuschlachten. Benjamin jedoch machte er auf eine andere Weise fertig, nämlich indem er ihn mit dem Gesetz in Konflikt brachte und seine Mutter Situationen auslieferte, die auch zu ihrem Tod hätten führen können. Wenn der Patron das gewollt hätte. Aber die Angriffe glichen eher Warnschüssen.
Als Daniel in der Südstadt parkte und den Motor abstellte, hatte er eine Ahnung. Konnte es sein, dass GeoGod Kinder zu sehr mochte, um ihnen etwas anzutun? Falls diese Idee stimmte, hatte diese Sympathie ihn womöglich davor zurückgehalten, das ungeborene Kind zu schänden, indem er es dem Mutterleib entriss und entweder tottrampelte oder mitnahm, und es bewahrte Benjamin davor, ebenso kaltblütig abgemurkst zu werden. Noch. Die Situation mochte jeden Moment kippen, denn mit seinen achtzehn Jahren war Ben vor dem Gesetz volljährig.
Mit einem mulmigen Gefühl im Magen, weil Daniel nicht wusste, in welcher Stimmung Marie nach der von ihm verweigerten Aussprache war, ob sie nicht vielleicht schon ins Bett gegangen war, um ihm an diesem Tag nicht mehr zu begegnen, oder sie vielleicht bei einer Freundin oder in der Villa Bast übernachtete, schob Daniel seinen Rollstuhl in ihr gemeinsames Apartment.
Sogleich kam sie aus der Küche in den Korridor und sah ihn abwartend an.
Zögerlich, da eine Zurückweisung ihn geschmerzt hätte, breitete er einladend seine Arme aus. Sie lächelte zaghaft. Langsam kam sie auf ihn zu. Er zog sie auf seinen Schoß und drückte sie so fest, als würden sie sich das erste Mal nach einer Ewigkeit wiedertreffen. Sie nahm seinen Kopf in ihre Hände und küsste ihn. Ihr Kuss hatte etwas Sexuelles, das spürte er sofort, denn er dauerte länger und war feuchter, um als bloße Begrüßung oder Versöhnung durchzugehen.
Verunsichert löste er seinen Mund von ihrem und fuhr mit ihr auf seinen
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