Leiden sollst du
weiter.
Daniel rieb seine Handflächen über die Greifringe seines Choppers. „Auch sie hatte eine Verbindung, da sie nach Julias Verschwinden dort ermittelte.“
„Vielleicht haben die vier etwas gemeinsam ausgeheckt. Schardt, Lenz und Julia bot sich die Chance, einen großen Coup zu landen, dafür müssen sie sich vorher nicht einmal gekannt haben.“
„Du meinst: Gelegenheit macht Diebe?“
„Ein spontanes Verbrechen mit Zufallsbekanntschaften. Oder die beiden Männer kannten sich vorher schon von der Straße und sprachen Julia an, ob sie ihnen helfen würde, wenn sie einen Anteil bekäme.“ Toms Theorie hörte sich eher nach laut ausgesprochenem Grübeln an, noch unausgereift und mit zu viel „Wenn“ und „Aber“. „Corinna Backes deckte das Verbrechen auf und ließ sich ihr Schweigen bezahlen. Sie hatte keinen Partner, vielleicht brauchte sie Geld für eine Samenbank oder einen privaten Samenspender.“
„Von einem Streetworker, einem Obdachlosen und einer Siebzehnjährigen? Die letzte These kannst du getrost streichen.“ Dennoch war diese Idee einen Gedanken wert. Daniel erinnerte sich, dass sich Julia und der Sozialarbeiter gestritten hatten. Gully hatte geglaubt, er würde ihr seine Hilfe verweigern. Aber vielleicht ging es um ein gemeinsames krummes Ding.
Tom zog selbst noch an der Zigarette, als sie bereits heruntergebrannt war. „Sie könnten Geld ergaunert haben, von dem die Polizistin etwas abhaben wollte, um ihren Mutterschutz zu genießen oder es für ihr ungeborenes Kind auf die hohe Kante zu legen.“
„Mag sein, halte ich jedoch für unwahrscheinlich.“ Sachte schob Daniel die Räder seines Bocks vor und zurück. Es war fast so, als würde er sein Gewicht ständig von einem Fuß auf den anderen verlagern. „Denk mal über den Zeitpunkt nach. Warum wurde Backes erst jetzt ermordet?“
„Weil Schardt und Lenz sich in Sicherheit wiegten.“
„Bis Julias Leiche ans Rheinufer gespült und der Mord an ihr publik wurde. Nein, nein, ich glaube eher, dass die beiden Männer verantwortlich für Julias Tod sind.“
„Sie könnten aber auch eine Komplizin beiseitegeschafft haben.“ Tom ließ den Stummel fallen und trat ihn aus. Schuldbewusst sah er sich wohl nach einem Mülleimer um. „Soll ich die Kippe etwa in einem Taschentuch mitschleppen?“
„Sei mal nicht päpstlicher als der Papst.“ Belustigt schüttelte Daniel seinen Kopf. „Mag sein, dass Julia nicht so unschuldig war, wie alle glauben, schließlich hat sie sich vor der Party umgezogen und ist ziemlich freizügig dort aufgekreuzt.“ Das allein sagte aber noch gar nichts aus. Sie war in dem Alter, wo Mädchen sich aufhübschten, um Jungs zu beeindrucken, und da ihr Elternhaus ihr sexy Kleidung verbot, wechselte sie ihr Outfit eben heimlich. „Aber ich gehe dennoch weiterhin davon aus, dass das Mädchen das Opfer war und nicht eine Täterin. Wahrscheinlicher erscheint mir, dass Schardt und Lenz ihren Lolitareizen nicht widerstehen konnten und sich gemeinsam an ihr vergangen haben.“
„Okay, gehen wir davon aus, dass Corinna Backes Beweise für die Schuld der Männer entdeckte und sich von ihnen hat schmieren lassen. Die zwei können sie dennoch nicht umgebracht haben, um sie zum Schweigen zu bringen, weil sie vor Backes ermordet wurden.“ Aufgeregt holte Tom wieder Stift und Notizblock hervor. Er tippte mit dem Kugelschreiber gegen seine Unterlippe. Plötzlich hörte er auf und hielt ihn in die Luft. „Also muss es einen vierten Komplizen geben.“
„Sollte diese Theorie stimmen.“ Die Möglichkeit bestand. Daniel kannte sogar seinen Decknamen. GeoGod. Vielleicht war er der Kopf der Bande. Er besaß den meisten Grips, die höchste kriminelle Energie und eventuell den nötigen Zaster, um Backes bestochen zu haben. Schardt und Schnapper waren eher der Typ Handlanger, der Patron dagegen war ein Macher. Und leider gewitzt und akribisch, denn auf den ersten Blick hatte er keine Spuren hinterlassen, aber die Labortechniker und die Gerichtsmediziner arbeiteten noch an den Auswertungen.
Tomasz notierte etwas. „Ich muss in Ruhe darüber nachdenken. Noch heute Abend rufe ich bei den Kranichs an und frage, wann wir morgen bei ihnen vorbeischauen können. Aufs Revier kann ich sie ja schlecht bestellen, wenn du dabei sein möchtest.“ Tom reichte ihm eine Adresse in Chorweiler, dem Viertel mit der höchsten Kriminalitätsrate und einem sehr hohen Migrantenanteil. Doch man fand dort auch zwei Supermärkte, sechzig
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