Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leiden sollst du

Leiden sollst du

Titel: Leiden sollst du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
Vom Netzwerk:
und Serum aufgeteilt hatte, hatte der Rechtsmediziner abgeleitet, dass sie um die Mittagszeit getötet worden war. Genaueres würde erst die eingehende Untersuchung in der Gerichtsmedizin bringen.
    Der Fötus war, wie Daniel zuerst vermutet hatte, nicht ihrem Körper entrissen worden, sondern befand sich noch in ihr. Er war so tot wie seine Mutter. Mit Abscheu dachte Daniel an die Rattenbabys in der Volksküche und stellte sich vor, wie der Täter ihnen brutal das Leben aus dem Leib gepresst hatte, indem er auf ihnen herumgetrampelt hatte. Hatte er denselben Plan mit Corinna Backes’ ungeborenem Kind gehabt, war aber gestört worden? Oder hatte der Anblick des Fötus in ihrem Bauch ihn zutiefst schockiert, sodass er geflüchtet war?
    „Was machst du hier?“ Tomasz’ Cowboystiefel klackerten auf dem Asphalt.
    „Eine Kollegin besuchen“, antwortete Daniel über seine Schulter hinweg.
    Auf dem Bürgersteig blieb Tom stehen. Er holte einen Notizblock und einen Kugelschreiber aus der Innentasche seiner Jeansjacke. „Du kanntest sie nicht einmal.“
    „Wir sind uns mal in der Kantine des Polizeipräsidiums begegnet.“ Betont lässig öffnete Daniel den Klettverschluss an seinen fingerlosen Rollschuhhandschuhen und schloss ihn wieder, etwas enger als zuvor. Er durfte nicht verraten, dass er auf eigene Faust ermittelte. Es war schon ein großes Risiko gewesen, die Mordkommission zu verständigen, aber er hatte keinen anonymen Anruf machen wollen.
    „Das soll ich so notieren?“
    „Klingt zu verdächtig.“ Verschmitzt grinste Daniel. „Belassen wir es dabei, dass Corinna und ich uns gekannt hatten.“ Hatten sie nicht, aber es war durchaus im Bereich des Möglichen. Er sah Tomasz an, dass er ihm nicht glaubte. Zum einen kannte er ihn zu gut und wusste, wann er flunkerte, zum anderen war er eben ein guter Kriminalkommissar.
    Tom schlug immer wieder mit dem Ende des Kulis auf den Block. „Wo liegt der Zusammenhang zwischen Corinna Backes, Michael Schardt und Günther Lenz?“
    Überrascht weiteten sich Daniels Augen, obwohl er es hätte besser wissen müssen. Es gab mehrere Arten, einen Verdächtigen oder schweigenden Zeugen weich zu klopfen, damit er endlich mit der Wahrheit herausrückte. Man konnte ihm vorgaukeln, bereits alle Fakten zu kennen, und ihm raten, seinen Kopf durch ein Geständnis noch rechtzeitig aus der Schlinge zu ziehen. Oder man spielte Verständnis vor und tat so, als wäre man insgeheim auf der Seite des Beschuldigten. Oder man versuchte ihn durch eine direkte Konfrontation aus der Reserve zu locken, damit er sich vor Schreck verriet. Daniel war darauf reingefallen und ärgerte sich. „Wie bitte?“
    „Leander hat herausgefunden, dass du die Akten der beiden Männer auf seinem Computer aufgerufen hast, als du heute Nachmittag bei uns gewesen bist.“
    „Dieser kleiner Scheißer!“, rutschte es Daniel heraus. Der Hospitant musste sich das Verlaufsprotokoll angeschaut haben.
    „Er steht auf deiner Seite.“
    Mit der Faust hieb Daniel auf seine Armlehne. „Warum schnüffelt er mir hinterher?“
    „Wenn er dir hätte ans Bein pissen wollen, hätte er dem Fuchs Bescheid gegeben.“ Endlich hörte Tomasz damit auf, den Kuli gegen das Papier zu schlagen. „Aber er kam damit zu mir, weil er wusste, ich würde es niemandem erzählen, sondern dich direkt darauf ansprechen.“
    Daniel murrte nur, denn sein Freund hatte recht. Auch wenn er wie ein Milchbubi aussah und ein Frischling im KK 11 war, durfte er Kriminalkommissar Leander Menzel nicht unterschätzen.
    „Woher weißt du von Schardt und Lenz?“
    „Aus der Presse.“ Lapidar zuckte Daniel mit seinen Achseln und wünschte sich, diese Geste unterdrückt zu haben, denn Worte mit Gestik zu unterstreichen war oftmals ein Versuch, sie glaubwürdiger klingen zu lassen.
    „Alle drei wurden vom selben Täter umgebracht.“
    Tief atmete Daniel durch. Er konnte sich nicht vollkommen unbedarft geben, das würde Tom ihm nicht abnehmen und es wäre nicht fair seinem Freund gegenüber. „So viel steht fest.“
    „Und wer war es?“
    „Ich bin nicht Sherlock Holmes. Anhand der bloßen Betrachtung eines Fingernagels die Familiengeschichte einer Person bis drei Generationen zurückliegend inklusive der aktuellen Tätigkeit, der seit Kindheit eingenommenen Medikamente und der Restaurants, in denen sie verkehrt, zu rekonstruieren, funktioniert nur im Film.“
    Schmunzelnd verschränkte Tomasz seine Arme und malte versehentlich einen Strich auf seine

Weitere Kostenlose Bücher